Gerichtsentscheidung: Strafrecht



§§ 54, 55, 242, 243, 248a StGB

Diebstahl geringwertiger Sachen, Strafzumessung

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
1. Strafsenat
Beschluß vom 09.05.2008, 1 Ss 67/08


In der Strafsache
gegen .... zur Zeit in anderer Sache in Strafhaft in der JVA ...
wegen Diebstahls pp.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 10. kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.11.2007 durch die Richter … am 9.5.2008 beschlossen:

    Das angefochtene Urteil wird in den Fällen II. 3, 8 und 22 im Schuldspruch sowie im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

    Im Fall II. 22 wird das Verfahren auf Kosten der Staatskasse, die auch die hierauf entfallenden notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, eingestellt. Im darüber hinausgehenden Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.

    Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.

Gründe:

Mit Urteil vom 22.1.2007 verhängte das Amtsgericht Frankfurt am Main gegen den Angeklagten wegen Diebstahls in besonders schwerem Fall in Tateinheit mit Nötigung in 3 Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung, wegen Diebstahls in besonders schwerem Fall in 14 Fällen, Diebstahls geringwertiger Sachen in 3 Fällen, Diebstahls in 2 Fällen und Hausfriedensbruch eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten änderte das Landgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 27.11.2007 das amtsgerichtliche Urteil dahin ab, dass der Angeklagte nunmehr wegen Diebstahls in 22 Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit Nötigung und versuchter Körperverletzung und in einem weiteren Fall tateinheitlich mit versuchter Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung, sowie wegen Hausfriedensbruchs verurteilt wurde. Das Landgericht verhängte hierfür unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 15.1.2007 – Az. 29 Ds 1100 Js 75011/04 – eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten. Gegen das landgerichtliche Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und in gleicher Weise begründete Revision des Angeklagten, mit der er im Rahmen der Sachrüge allgemein die Verletzung materiellen Rechts und im Rahmen der Verfahrensrüge die Verletzung der Aufklärungspflicht des Gerichts bezüglich der unter II Nr. 5 des Urteils geschilderten Tat rügt.

Die Revision führt mit der Sachrüge zum Teilerfolg im tenorierten Umfang.

Der Schuldspruch war aufzuheben und das Verfahren einzustellen, soweit dem Angeklagten unter Fall 22 des angefochtenen Urteils der Diebstahl von zwei Mobiltelefonen der Marke X zum Gesamtverkaufspreis von 298,- Euro am 18.2.2006 um 14.00 Uhr im ..., in O1 zur Last gelegt wurde. Wegen derselben Tat wurde der Angeklagte bereits unter Fall 12 des Urteils wegen Diebstahls verurteilt. Wegen des Doppelbestrafungsverbots aus Art. 103 Abs. 3 GG besteht bezüglich des doppelt rechtshängig gemachten Schuldvorwurfs ein Prozesshindernis, das insoweit unter Aufhebung des Schuldspruchs zur Einstellung des Verfahrens durch das Revisionsgericht gem. § 354 Abs. 1 StPO (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 354 Rn. 6 und § 206 a Rn. 6) und der diesbezüglichen Kostenentscheidung aus § 467 Abs. 1 StPO führt.

Der Schuldspruch bezüglich des als Fall 8 abgeurteilten Diebstahls von fünf Flaschen ... ist aufzuheben, weil nicht feststeht, ob der für die Verfolgung dieser Tat erforderliche Strafantrag vom Verletzten wirksam gestellt wurde und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung von der Staatsanwaltschaft hierfür nicht bejaht wurde. Bei dem Diebstahl der fünf Flaschen ... handelt es sich um einen Diebstahl geringwertiger Sachen im Sinne von § 248 a StGB, da der Gesamtwert des Diebesguts weniger als 50,- Euro betrug. Zwar heißt es in dem angefochtenen Urteil, der Angeklagte habe zunächst nur „drei Flaschen ... im Gesamtwert von 40,- Euro“ und später, vor Verlassen des Geschäfts, „zwei weitere Flaschen ...“ an sich genommen, was auf einen Gesamtwert von 66,67 Euro schließen lassen würde, der jedenfalls nicht mehr gering im Sinne von § 248 a StGB wäre. Das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen ist vom Revisionsgericht jedoch von Amts wegen im Wege des Freibeweises zu klären. Der dadurch eröffnete Blick in die Akten ergibt, dass die gestohlenen Flaschen ... () einen Einzelverkaufspreis von 7,89 Euro hatten, der Gesamtwert von fünf Flaschen damit bei 39,45 Euro lag. Auf Grundlage dieser Wertangabe wird der Wert der gestohlenen fünf ...-Flaschen in der Anklageschrift vom 13.2.2006 in dem verbundenen Verfahren 3660 Js 202685/06 wie auch im amtsgerichtlichen Urteil mit (rund) 40,- Euro beziffert. Von einem Wert von 39,45 Euro ist damit für die Prüfung der Erforderlichkeit und des Vorliegens der Prozessvoraussetzungen aus § 248 a StGB bei der revisionsrechtlichen Überprüfung auszugehen.

Der Senat geht mit der neueren Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (vgl. OLG Zweibrücken NStZ 2000, 526; OLG Hamm NJW 2003, 3145) und aktueller Kommentarliteratur (Schönke/Schröder-Eser, StGB, 26. Aufl. 2007, § 248 a Rn. 10; Münchener Kommentar-Hohmann, StGB, 1. Aufl. 2003, § 248 a Rn. 6) davon aus, dass die in weiten Teilen der Rechtsprechung bereits seit Beginn der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts (vgl. etwa LG Kempten NJW 1981, 933) angenommene Wertgrenze von 50,- DM nicht einfach durch Umrechnung in Euro nunmehr bei 25-30 Euro anzusetzen ist. Vielmehr ist angesichts der fortschreitenden Preis- und Lohnentwicklung in den letzten Jahrzehnten heute die Grenze für die Geringwertigkeit im Sinne von § 248 a StGB im Regelfall bei einem Wert der gestohlenen Sache in Höhe von 50,- Euro zu ziehen.

Diese Wertgrenze erreichen die im Fall 8 gestohlenen fünf Flaschen ... nicht, so dass die Tat nur unter den Voraussetzungen des § 248 a StGB verfolgt werden kann. Die Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung in diesem Fall weder in der Anklageschrift vom 13.2.2006 – in der die Tat dem Angeklagten noch als räuberischer Diebstahl zur Last gelegt wurde, so dass es auf die Frage des § 248 a StGB nicht ankam – noch sonst im Rahmen des Verfahrens bejaht. Zum Vorliegen eines Strafantrags verhalten sich weder das amts- noch das landgerichtliche Urteil. Bei den im Wege des hier eröffneten Freibeweises herangezogenen Akten findet sich zwar ein Formular „Meldung eines Ladendiebstahls“ (Band II Bl. 5 d. A.), in dem sich unter dem Firmenstempel der A-Markt-Filiale in O1 und der Erklärung „Namens und im Auftrag der Firma A erstatte ich hiermit Strafanzeige bzw. stelle Strafantrag“ die Unterschrift der Zeugin Z1 findet. Ungeklärt und im Rahmen des Revisionsverfahrens nicht feststellbar ist, ob die Zeugin Z1 (später verheiratete Z2) zum damaligen Zeitpunkt hinreichend bevollmächtigt war, die Firma A als geschädigte Eigentü-merin bei der Stellung des Strafantrags zu vertreten. Nach dem weiteren Akteninhalt war die Zeugin Z1/Z2 damals als Verkäuferin beschäftigt, während der ebenfalls zum Tatzeitpunkt anwesende Zeuge Z3 bei seiner Vernehmung durch das Amtsgericht als Beruf „stellvertretender Filialleiter bei A“ angab. Ob damit die Zeugin Z1/Z2 zur Stellung des Strafantrags berechtigt war, wird das Landgericht in der neu durchzuführenden Berufungshauptverhandlung zu klären haben. In den weiteren Fällen, in denen ein Strafantrag für die Strafverfolgung erforderlich war – Diebstahl geringwertiger Sachen mit einem Wert von weniger als 50,- Euro in den Fällen 4, 5, 7, 14 und 17, Hausfriedensbruch im Fall 6, versuchte einfache Körperverletzung im Fall 2 – liegen von den Geschädigten bzw. dazu berechtigten Personen gestellte Strafanträge in den Akten vor, bezüglich der vollendeten einfachen Kör-perverletzung im Fall 5 wurde das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift vom 13.2.2006 – Az. 3660 Js 202685/06 – ausdrücklich bejaht. Bezüglich der unter Fall 3 erfolgten Verurteilung war das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben. Die Darstellung des Tatvorwurfs trägt die rechtliche Bewertung als vollendeten Diebstahl nicht. In den Feststellungen des Landgerichts heißt es dazu, dass der Angeklagte 5 DVDs entwendete, „indem er die Waren an sich nahm. Auch hier wurde er vom Ladendetektiv am Verlassen der Geschäftsräume gehindert.“ Wie der Angeklagte im Einzelnen die DVDs an sich nahm, bleibt offen. Auch wird nicht dargestellt, ob der Angeklagte den Kassenbereich schon verließ oder bereits im Vorfeld gefasst wurde. Hierdurch kann aber aufgrund des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts nicht nachvollzogen werden, ob der Angeklagte die DVDs bereits weggenommen hatte oder ob die Tat noch nicht vollendet war. Gerade bei kleinen beweglichen Gegenständen kommt es hinsichtlich der Wegnahme erheblich auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 242 Rn. 18).

Soweit sich die Revision im Übrigen gegen den Schuldspruch richtet, erweist sie sich als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Die Strafzumessung hingegen hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters ist, da er allein in der Lage ist, sich aufgrund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen. Das Revisionsgericht kann nur in den Fällen eingreifen, in denen Rechtsfehler vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Richter von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht gelassen wurden oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, soweit nach oben oder unten inhaltlich löst, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 28.3.2006 – 1 Ss 47/06).

Das Landgericht hat in 19 abgeurteilten Fällen (1. bis 3., 5., 8. bis 13., 15. bis 23.) jeweils ausgehend vom Strafrahmen eines besonders schweren Falles des Diebstahls die folgenden Einzelstrafen verhängt, wobei in der folgenden Tabelle auch der vom Landgericht festgestellte Wert der jeweils gestohlenen Waren angegeben wird:

Fall-Nr. / Wert in Euro / Einzelfreiheitsstrafe

1 / 142,91 / 5 Monate
2 / 154,99 / 8 Monate
3 / 59,80 / 5 Monate
5 / 30,00 / 8 Monate
8 / 40,00 / 6 Monate
9 / 178,00 / 6 Monate
10 / 298,00 / 6 Monate
11 / 110,00 / 6 Monate
12 / 298,00 / 6 Monate
13 / 82,95 / 6 Monate
15 / 298,00 / 6 Monate
16 / 596,00 / 6 Monate
17 / 45,97 / 6 Monate
18 / 159,00 / 6 Monate
19 / 477,00 / 6 Monate
20 / 199,00 / 6 Monate
21 / 356,00 / 6 Monate
22 / 298,00 / 6 Monate
23 / 260,00 / 6 Monate

Zur Bestimmung des Strafrahmens in diesen Fällen enthält das angefochtene Urteil die folgenden Erwägungen: „Bei der Bemessung der Einzelstrafen war in den Fällen II. 1. bis 3., 5., 8. bis 13., 15. bis 23 von dem Strafrahmen des § 243 I StGB (Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 10 Jahren) auszugehen, weil der Angeklagte in der Absicht handelte, sich aus wiederholten Diebstählen eine fortlaufende Einnahmequelle zur Finanzierung seines Drogenkonsums zu verschaffen, und damit gewerbsmäßig stahl (§ 243 I 3 StGB). Dieser Strafrahmen war gem. §§ 21, 49 I StGB zu ermäßigen, weil die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den jeweiligen Diebstählen aufgrund sei-ner Betäubungsmittelabhängigkeit erheblich vermindert war. Zur Ahndung eines jeden der 19 Diebstähle stand mithin Freiheitsstrafe zwischen 1 Monat und 7 Jahren 6 Monaten zur Verfügung.“

Diese Strafrahmenbestimmung ist nicht rechtsfehlerfrei.

In den Fällen 5, 8 und 17 kommt nach den obigen Ausführungen zur Wertgrenze bezüglich des Vorliegens einer geringwertigen Sache im Sinne von § 248 a StGB die Annahme eines besonders schweren Falls des Diebstahls gem. § 243 Abs. 2 StGB nicht in Betracht.

Aber auch in den übrigen Fällen wird in dem angefochtenen Urteil das Vorliegen der Voraussetzungen eines besonders schweren Falles gem. § 243 Abs. 1 StGB mit nicht hinreichender Begründung bejaht. Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine gewerbsmäßige Begehungsweise voraus, dass die Taten von der Absicht getragen sind, sich durch eine auf Fortsetzung gerichtete Tätigkeit eine auf gewisse Dauer berechnete Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen (vgl. etwa Münchener Kommentar-Schmitz, aaO, § 243 Rn. 39 m.w.N.). Selbst wenn ein Regelbeispiel vorliegt, ist aber jeweils noch eine Gesamtwürdigung der Tat erforderlich. Denn da die Beispielsfälle des § 243 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 StGB jeweils nur „in der Regel“ einen besonders schweren Diebstahl begründen, ist im Einzelfall eine Widerlegung der Indizwirkung möglich, wenn sich auf Grund außergewöhnlicher Umstände bei Gesamtabwägung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte der infragestehende Einzelfall nach Unrecht und/oder Schuld deutlich vom Normalfall des Regelbeispiels abhebt (Schönke/Schröder-Eser, aaO, § 243 Rn. 42). Dabei ist etwa zu berücksichtigen, wenn der Täter nicht aus reinem Gewinnstreben, sondern zur Finanzierung seiner Drogensucht handelte und bei der Begehung der Taten aufgrund seiner Drogenabhängigkeit nur vermindert steuerungsfähig war (vgl. Senatsbeschluss vom 15.6.2007 – 1 Ss 50/07; BayObLG vom 8.6.2001 - 5St RR 122/01 [zitiert nach juris]). Diese Umstände werden vom Landgericht zwar bei der Prüfung der Voraussetzungen der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB berücksichtigt, nicht aber bei der vorgreiflichen Feststellung der Voraussetzungen eines besonders schweren Falls gem. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB. Die hierzu gemachten Ausführungen in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, der Angeklagte bestreite seinen gesamten Lebensunterhalt zu weiten Teilen durch die Begehung von Ladendiebstählen, werden nicht von den Feststellungen des Landgerichts getragen. Nach der Schilderung des Werdegangs des Angeklagten in dem angefochtenen Urteil stand dieser vielmehr von 1999 bis zum Ende eines längeren arbeitsgerichtlichen Verfahrens im Jahr 2006 in einem Arbeitsverhältnis mit der .... Die durch das angefochtene Urteil abgeurteilten Taten wurden von Juli 2005 bis April 2006 begangen. Damit ist nach den – insofern allerdings lückenhaften – Urteilsfeststellungen davon auszugehen, dass der Angeklagte in dieser Zeit noch ein Entgelt von der ... erhalten haben dürfte. Soweit die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht weiter ausführt, der Angeklagte habe zu den Tatzeitpunkten nicht unter gravierenden Entzugserscheinungen gelitten, finden sich hierzu keine konkreten Feststellungen in dem angefochtenen Urteil. Das Landgericht hat vielmehr ausdrücklich angenommen, dass die „Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den jeweiligen Diebstählen aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit erheblich vermindert war“.

Damit hat das Landgericht bei der Bestimmung des Strafrahmens die für die Annahme eines besonders schweren Falles gebotene Gesamtwürdigung nicht vorgenommen.

Die Strafzumessungserwägungen bieten auch sonst Anlass zur Beanstandung. Im Urteil ist zur Bemessung der oben genannten 19 Einzelfreiheitsstrafen unter anderem ausgeführt: „Die Kammer hat dem Angeklagten sein weitgehendes Geständnis sowie den Umstand zu Gute gehalten, dass er die Taten nicht aus reinem Gewinnstreben, sondern zur Finanzierung seiner Drogensucht beging, und dass das Diebesgut regelmäßig an den Berechtigten zurückgelangte. Zu seinen Lasten fiel der Wert der jeweiligen Diebesbeute sowie der Umstand ins Gewicht, dass der Angeklagte bei Begehung der Taten bereits mehrfach einschlägig vorbestraft war und trotz der von den Vorverurteilungen ausgehenden Warnfunktion unbeirrt und hartnäckig weiter stahl. Die Diebstähle beging er während laufender Bewährung aus den Urteilen (oben) I. 15., 18. und 19.“

Hierbei wertet das Landgericht zum Einen fehlerhaft den Wert der Diebesbeute pauschal zum Nachteil des Angeklagten. Eine Differenzierung bei der Strafhöhe wird trotz sehr unterschiedlicher Werte der gestohlenen Waren nicht vorgenommen; das Landgericht verhängt etwa für den Diebstahl von fünf Flaschen ... im Wert von knapp 40,- Euro (Fall 8) ebenso eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten wie für den Diebstahl von vier Mobiltelefonen im Wert von 596,- Euro (Fall 16). Diese Gleichbehandlung fast aller Fälle trotz des nach den oben wiedergegebenen Strafzumessungserwägungen maßgeblichen Wertes der gestohlenen Waren ist widersprüchlich. Überdies war der Wert des Stehlguts in keinem Fall derart hoch, dass er einen Strafschärfungsgrund darstellen könnte. In den Fällen, in denen der Wert der Diebesbeute nur knapp über der Geringwertigkeitsgrenze von 50 € liegt, ist dies zudem regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen. Das Nichtvorliegen eines Milderungsgrundes kann aber nicht straf-schärfend berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 14.3.2008 - 1 Ss 3/08).

Soweit das Landgericht bei der Bemessung der 19 Einzelfreiheitsstrafen zu Lasten des Angeklagten maßgeblich dessen Vorstrafen berücksichtigt, ist zu beanstanden, dass diese – mit Ausnahme der zuletzt dargestellten, einbezogenen Verurteilung vom 15.1.2007 – in dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend dargestellt werden. Zwar enthält das angefochtene Urteil die Daten der Verurteilungen, die Tatzeiten und Art und Höhe der erkannten Rechtsfolgen sowie bei den Diebstahlsdelikten jeweils die Mitteilung, dass der Verurteilung ein Ladendiebstahl zugrunde lag. Es fehlt aber die Angabe des Wertes des Diebesguts und des eventuellen Zusammenhangs der Taten mit der Drogenabhängigkeit des Angeklagten. Diese wurde dem Angeklagten bei der vom Landgericht einzig umfassend mitgeteilten Vorverurteilung vom 15.1.2007 ebenso zugute gehalten wie in dem angefochtenen Urteil selbst. Ob auch die früheren Verurteilungen mit dem nach den Feststellungen des Landgerichts seit 1995 bestehenden Drogenkonsum des Angeklagten zusammenhingen, wird hingegen nicht mitgeteilt. Damit wird der jeweilige Unrechts- und Schuldgehalt der Vorverurteilungen nicht hinreichend deutlich. Dies gilt hier vor allem deshalb, da sich bei suchtbedingtem Rückfall die Warnwirkung von einschlägigen Vorverurteilungen relativiert (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.3.2008 – 1 Ss 3/08 und vom 19.3.2008 – 1 Ss 102/07).

Weiter lassen die in dem angefochtenen Urteil zu den Fällen 1 und 3 angestellten Erwägungen zur Unerlässlichkeit im Sinne von § 47 StGB die im Rahmen der nur ausnahmsweise als „ultima ratio“ zulässigen Verhängung kurzer Freiheitsstrafen gebotene Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände vermissen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.3.2008 – 1 Ss 3/08). Das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen darf nicht – wie in dem angefochtenen Urteil mit der Bemerkung, es handele sich bei dem Angeklagten „um einen beharrlichen Rechtsbrecher …, der immer wieder stiehlt und durch eine Geldstrafe auch nicht ansatzweise beeindruckbar ist“ geschehen – schematisch aus dem Vorliegen einschlägiger Vorstrafen geschlossen werden, sondern ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls festzustellen (vgl. z. B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 4.9.2001 – 2 Ss 261/01).

Soweit das Landgericht darüber hinaus ausführt, die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen sei hier zur Verteidigung der Rechtsordnung deshalb unerlässlich, „weil die Gemeinschaft der rechtstreuen Bürger (zu Recht) kein Verständnis dafür aufbrächte, dass ein gewerbsmäßig handelnder Dieb noch mit einer Geldstrafe davonkommt“, ist zu beanstanden, dass schon die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns – wie oben ausgeführt – nicht hinreichend dargelegt sind. Überdies greift das alleinige Abstellen auf das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit im Rahmen der auch hier erforderlichen Gesamtwürdigung zu kurz.

Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts zu den mit Geldstrafen belegten Fällen 4, 6, 7 und 14 lauten wie folgt:

„Bei der Bemessung der Einzelstrafen für die Fälle II. 4., 7. und 14. war im Hinblick auf § 243 II StGB von dem nach §§ 21, 49 I StGB ermäßigten Rahmen des § 242 StGB auszugehen. Im Hinblick auf den jeweils geringen Wert der Diebesbeute hielt die Kammer zur Ahndung dieser 3 Taten Geldstrafen von je 120 Tagessätzen für ausreichend und hat die Höhe des Tagessatzes in Anbetracht der finanziellen Situation des Angeklagten – er ist im Vollzug und hat kein Einkommen – auf den Mindestbetrag von 1,- Euro festgesetzt.

Zur Ahndung des Hausfriedensbruchs (II. 6.) war von dem nach §§ 21, 49 I StGB reduzierten Rahmen des § 123 StGB auszugehen und eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 1,- Euro zu verhängen.“

Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, wie das Landgericht bezüglich der Diebstähle geringwertiger Sachen in den Fällen 4, 7 und 14 (Werte 18,90 Euro, 15,- Euro und 11,73 Euro) innerhalb des geminderten Strafrahmens des § 242 StGB unter ausschließlich strafmildernder Berücksichtigung des geringen Wertes der Diebesbeute – strafschärfende Strafzumessungserwägungen werden nicht genannt, es erfolgt auch kein Hinweis auf die zuvor zu den Einzelfreiheitsstrafen gemachten Ausführungen – zu den empfindlichen Geldstrafen von jeweils 120 Tagessätzen gelangt. Bezüglich des Hausfriedensbruchs nennt das Urteil überhaupt keine für die Strafzumessung maßgeblichen Umstände im Sinne von § 46 StGB. Die Erwägungen zur Bemessung der vier verhängten Einzelgeldstrafen sind demgemäß lückenhaft, so dass auch diese Strafaussprüche keinen Bestand haben können.

Die vom Landgericht vorgenommene nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist ebenfalls – wie bereits von der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht in ihrer Stellungnahme ausgeführt – fehlerhaft. Das Landgericht hätte sich nicht, wie in dem angefochtenen Urteil geschehen, auf eine Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 15.1.2007 beschränken dürfen. Hierbei hat es die Zäsurwirkung früherer Verurteilungen des Angeklagten, die bisher nicht vollständig vollstreckt sind, nicht hinreichend berücksichtigt. Diese hätten aber vorliegend zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen genötigt.

Die vom Landgericht unter I. 13, 14 und 16 dargestellten Verurteilungen waren bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils vollständig vollstreckt, so dass ihnen keine Zäsurwirkung zukam. Die unter I. 15, 18 und 19 erwähnten Urteile sind jedoch nach den Feststellungen des Landgerichts noch nicht vollständig vollstreckt, so dass unter Berücksichtigung der Zäsuren zu den Urteilszeitpunkten entsprechende Gesamtstrafen zu bilden waren. So liegen die Tatzeiten der Fälle 1, 2 und 3 des angefochtenen Urteils vor Erlass des vom Landgericht unter I. 18. bezeichneten Urteils vom 18.10.2005, die Fälle 4 bis 9 vor dem vom Landgericht mit I. 19 bezeichneten Urteil vom 7.2.2006, die restlichen Fälle 10 bis 23 vor dem vom Landgericht mit I. 20 bezeichneten und bisher allein einbezogenen Urteil vom 15.1.2007. Dies allein hätte schon zur Bildung von drei Gesamtstrafen führen müssen. Hinzu kommt aber, dass durch die Einbeziehung der Einzelstrafen aus den genannten Vorverurteilungen vom 7.2.2006 und 15.1.2007 die dort bereits gebildeten Gesamtstrafen in Wegfall kommen, so dass auch die darin einbezogenen Einzelstrafen unter Beachtung der Zäsurwirkung früherer, nicht erledigter Verurteilungen in neue Gesamtstrafen einzubeziehen sind. So liegen die Tatzeitpunkte von 19 Fällen aus dem Urteil vom 15.1.2007 bereits vor der nicht erledigten und damit Zäsurwirkung entfaltenden, vom Landgericht als I. 15 bezeichneten Verurteilung vom 16.3.2005, so dass mindestens eine vierte Gesamtstrafe zu bilden gewesen wäre. Die Tatzeiten der mit I. 19 bezeichneten Verurteilung vom 7.2.2006 wegen Diebstahls in 14 Fällen werden im angefochtenen Urteil nicht mitgeteilt. Die dort verhängten Einzelstrafen sind gegebenenfalls auch in mehrere der neu zu bildenden Gesamtstrafen einzubeziehen.

Damit dürften in der neu durchzuführenden Berufungshauptverhandlung unter Beachtung der Zäsurwirkungen, die aus den im angefochtenen Urteil als I. 15, 18, 19 und 20 bezeichneten Verurteilungen resultieren, mindestens vier Gesamtstrafen zu bilden sein. Dies gilt ungeachtet dessen, ob im Laufe des Revisionsverfahrens möglicherweise bereits weitere Strafen vollständig vollstreckt wurden, da die neue Gesamtstrafenbildung nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zur Zeit der ersten Verhandlung zu erfolgen hat (vgl. BGH NStZ 2001, 645; Schönke/Schröder – Sternberg-Lieben, StGB, aaO, § 55 Rn. 26). Bei der Darstellung im Urteil wird zu beachten sein, dass bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach §§ 54, 55 StGB unter anderem die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind, so dass grundsätzlich auch die Strafzumessungserwägungen der einbezogenen Urteile im neuen Urteil anzugeben sind (vgl. BGH vom 12.12.1986, 3 StR 530/86; Fischer, aaO, § 55 StGB Rn. 16; Senatsbeschluss vom 25.3.2008 – 1 Ss 42/08).

Für die Bemessung der neu zu bildenden Gesamtstrafen ist darauf hinzuweisen, dass hierbei der Summe der Einzelstrafen nur ein geringes Gewicht zukommt (vgl. BGH StV 2000, 254; BGH NStZ-RR 2003, 294; Fischer, aaO, § 54 Rn. 7). Entscheidend für die Gesamtstrafenbildung ist die Gesamtschau der Taten, besonders ihr Verhältnis zueinander. Dabei sind insbesondere der Zusammenhang der einzelnen Taten, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, ferner die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweise sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (BGH NStZ-RR 2003, 295). In der Regel hat die Erhöhung der Einsatzstrafe niedriger auszufallen, wenn zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht (BGH NStZ 1988, 126). So kann etwa die wiederholte Begehung gleichartiger Taten Ausdruck einer niedriger werdenden Hemmschwelle sein (BGH StV 2000, 254; BGH NStZ 1988, 126). Hiermit muss das Landgericht sich bei der Bildung der neuen Gesamtstrafen auseinandersetzen. Insbesondere in Fällen, in denen das Gericht die Einsatzstrafe um ein Vielfaches erhöht, muss das Tatgericht die angestellten Erwägungen, die zur Verhängung der hohen Gesamtstrafe führen, besonders darstellen (vgl. BGH NStZ 2007, 326 und NStZ-RR 2005, 375). Hieran hat es im angefochtenen Urteil gefehlt.

Aus den vorgenannten Gründen war das Urteil auf die Sachrüge hin teilweise – wie tenoriert – aufzuheben und die Sache, soweit sie nicht gem. § 354 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Re-vision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).


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