Gerichtsentscheidung: Wettbewerbsrecht



§ 339 BGB

Vertragsstrafe bei unerwünschter Faxwerbung

Oberlandesgericht Düsseldorf
20. Zivilsenat
Urteil vom 16.12.2008, I-20 U 48/08


In dem Rechtsstreit
...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung der Richter ..., ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ... für Recht erkannt:

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. Januar 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juni 2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache mit Ausnahme eines geringen Teils des Zinsanspruchs Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe nicht nur – wie vom Landgericht angenommen – in Höhe von EUR 4.000,--, sondern in Höhe von weiteren EUR 16.000,--, insgesamt also EUR 20.000,-- nebst Zinsen. Die Vertragsstrafe ist in der vollen geltend gemachten Höhe verwirkt im Sinne des § 339 Satz 2 BGB.

1. Mit dem Faxversand der vom Kläger aufgeführten sieben Werbeschreiben (Anlagen K 3 ff.) verstieß die Beklagte gegen ihre vertragliche Unterlassungsverpflichtung. Diese ging nach ihrer Vertragserklärung vom 29.10.2003 (Anlage K 1 = Bl. 6 GA) dahin, es zu unterlassen, Werbung per Telefax ohne zumindest zu vermutendes Einverständnis des Empfängers vorzunehmen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprach sie die Zahlung einer Vertragsstrafe von EUR 4.000,-- an den Kläger. Dass die beanstandeten Schreiben aus dem Jahre 2006 dieser Unterlassungsverpflichtung widersprachen, hat das Landgericht zutreffend festgestellt. Den hierauf bezogenen Ausführungen schließt der Senat sich an.

Die im Senatstermin vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten erneut angesprochene Erweiterung des Geschäftsbetriebs steht dem nicht entgegen. Das Vertragsstrafenversprechen ist inhaltlich nicht an eine bestimmte Größe des Betriebs der Beklagten geknüpft. Letztere stellt auch keine Geschäftsgrundlage der Vereinbarung dar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung von einem Zusammenhang zwischen dem Verbot unerbetener Faxwerbung und einer bestimmten Betriebsgröße der Beklagten als Grundlage ihrer Vereinbarung ausgegangen sein könnten. Im Gegenteil hat der Umfang des Geschäftsbetriebs grundsätzlich keinen Einfluss auf die Art und Weise von Werbung. Die Übernahme zusätzlicher Betriebsstätten führte auch nicht zu einer unzumutbaren Leistungserschwerung. Von der Beklagten ist unabhängig von ihrer Betriebsgröße zu verlangen, dass sie bestehende Verpflichtungen einhält. Organisatorische Vorkehrungen hierfür verbunden mit entsprechenden Hinweisen auf unzulässige Werbemaßnahmen sind intern ohne weiteres auch in einem größeren Unternehmen möglich. Immerhin war auch die Werbeaktion als solche nach dem Vortrag der Beklagten zentral abgesprochen und geplant.

Die Beklagte verstieß auch schuldhaft gegen ihre vertragliche Unterlassungsverpflichtung. Die Adressen, die sie angeschrieben hat, hatte sie von Drittunternehmen als deren Kundenadressen erworben. Sie darf zur Vermeidung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs dann die entsprechenden Kunden nicht anschreiben, ohne zu überprüfen, ob deren Einverständnis mit dieser Werbung besteht oder ob zumindest Umstände vorliegen, aus denen eine solche Einwilligung vernutet werden kann. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb vergrößert hatte. Die Beklagte trägt selbst vor, Faxschreiben an Adressaten aus den Adresslisten der übernommenen Unternehmen versandt zu haben, die sie von letzteren erhalten hatte. Dabei habe sie, so die Beklagte weiter, "ausschließlich die postalischen Adressen der Kunden, ohne Transaktionsdaten" erhalten (Schriftsatz vom 26.11.2007, S. 1 = Bl. 107 GA). Sie habe daher nicht gewusst, wann, was, oder wie viel der Kunde gekauft habe (a.a.O.). Bei dieser Sachlage ist es zumindest fahrlässig, wenn die Beklagte ohne jede weitere Prüfung Faxschreiben an diese Kunden schickt, von denen sie keine Einzelheiten kannte. Sie musste nämlich nach dem Inhalt der Übernahmeverträge damit rechnen, nicht nur aktuelle Kundenadressen erhalten zu haben, weil ausdrücklich auch "inaktive" Adressen mit übernommen worden waren (vgl. etwa den Kaufvertrag mit A., Bl. 57 GA). Weiterhin sprach die Beklagte sogar gezielt Kunden an, die nicht zum aktuellen Kundenbestand zählten. So ist etwa das erste Fax vom 27.9.2006 (K 3 = Bl. 11 GA) ausdrücklich damit eingeleitet, die Beklagte habe den angesprochenen Kunde "lange nicht mehr ... im Online-Shop begrüßen dürfen". Schließlich ist auch der lange zeitliche Abstand zwischen den Übernahmeverträgen (2003 bis 2005, überwiegend 2004) und der streitgegenständlichen Werbeaktion im Herbst 2006 zu berücksichtigen. Diese Zeit reichte aus, damit die Beklagte sich über den Bestand an aktuellen Kunden Klarheit verschaffen konnte, bei denen wegen der bereits bestehenden Geschäftsbeziehung ein Einverständnis mit der Faxwerbung zu vermuten ist, wie dies der Unterlassungsvertrag umschreibt.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nicht nur ein einziger Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung anzunehmen. Vielmehr hat ihr die Beklagte – wie von dem Kläger vorgetragen – zumindest fünf Mal zuwider gehandelt. Das geschah aufgrund sieben unverlangt außerhalb einer aktuellen Kundenbeziehung versandter Faxe, wie sie zuletzt in der Berufungsbegründung (Seite 2 = Bl. 149 GA, mit Anlage K 3 ff.) aufgelistet sind. Dabei fasst die Klägerin drei Faxe, die an einem Tag (23.10.2006) versandt wurden, zu einem Verstoß zusammen und kommt so auf fünf Verstöße.

Eine natürliche Handlungseinheit scheidet hier ersichtlich aus. Ausgangspunkt der weiteren Prüfung ist dann, wie vom Landgericht unter zutreffender Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 146, 318 = GRUR 2001, 758 – Trainingsvertrag) ausgeführt, die Auslegung des Unterlassungsvertrages. Er sieht nur in allgemeiner Form die Verwirkung der Vertragsstrafe "für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlungen" vor. Hier können die vom Landgericht angeführten Gesichtspunkte wie insbesondere der zeitliche Zusammenhang und die einheitlich geplante Werbeaktion grundsätzlich für die Annahme nur einer einzigen Handlung sprechen.

Das allein ist indes im vorliegenden Fall nicht ausschlaggebend. Die Werbeaktion mag auf einem einheitlichen internen, für sämtliche Betriebsstätten gültigen Willensentschluss beruhen, wie von der Beklagten vorgetragen, weil die Geschäftsführer und Betriebsstättenleiter sich auf die Werbung mit einem bis Jahresende 2006 befristeten Gutschein geeinigt hatten. Die Einigung auf eine derartige Werbeaktion ist indes nicht maßgeblich. Es ist der Beklagten vertraglich nicht verboten, eine derartige Werbeaktion unter Verwendung eines Gutscheins durchzuführen. Vertragswidrig war erst die Umsetzung dieser Werbeentscheidung in einigen Einzelfällen dadurch, dass auch Adressaten mit einbezogen wurden, die mit der Zusendung von Faxwerbung nicht einverstanden waren. Diese Umsetzung indes erfolgte offensichtlich nicht aufgrund eines einheitlichen Entschlusses, sondern in den jeweiligen Betriebsstätten in unterschiedlicher Weise.

Das zeigt sich darin, dass abgesehen von der Gutscheinwerbung die Faxschreiben nicht gleich sind und wesentliche Unterschiede aufweisen. So nennen sie mit der Bezugnahme auf die einzelnen Betriebsstätten unterschiedliche Absender (O., A., L. & K.). Sie sind vor allem aber in unterschiedlicher Weise auf den jeweils angesprochenen Adressaten bezogen, indem sie auf die Besonderheiten der jeweiligen Kundenbeziehung Bezug nehmen. So wird der Kunde im Schreiben vom 27.9.2006 (O., Anlage K 3) damit angesprochen, dass er schon lange nicht mehr habe begrüßt werden dürfen (ähnlich in K 8 und K 9: "wir wollen wieder, dass Sie bei uns bestellen"). Die Schreiben vom 23.10.2006 (A., Anlagen K 4 bis K 6), die der Kläger zu einem Verstoß zusammenfasst, sprechen die Verschmutzung des Druckers, dies zudem mit einem Bild an und enthalten so eine Werbung, die das Schreiben in Anlage K 3 nicht aufweist. Entsprechendes gilt für die übrigen Schreiben in den Anlage K 7 bis K 9, die mit unterschiedlichen Formulierungen und unterschiedlichen Angeboten (im Schreiben vom 29.10.2006 in Anlage K 7 wird noch eine Packung Kaffee schenkweise angeboten) werben. Von sämtlichen Schreiben sind lediglich die von der Klägerin als ein Verstoß zusammengefassten, am selben Tag versandten Schreiben in den Anlagen K 4 bis K 6 gleich, im Übrigen sind sie auf die beschriebene Weise höchst unterschiedlich und sprechen vor allem den jeweiligen Kunden auf unterschiedliche Weise an. Das zeigt, dass diesen Schreiben eben keine einheitliche Willensbildung zugrunde gelegen haben kann, die es rechtfertigen könnte, lediglich einen einzigen Verstoß anzunehmen. Intern einheitlich abgesprochen mag die Werbeaktion als solche unter Anpreisung eines befristeten Gutscheins gewesen sein. Die nähere Ausführung und damit auch Entscheidung der Frage, an wen im einzelnen die Faxe gehen sollten, erfolgte offensichtlich aber keineswegs einheitlich. Die Verneinung von mehreren Einzelverstößen und die Annahme nur eines einzigen Verstoßes liegen vor diesem Hintergrund fern.

Offen bleiben kann daher, ob einer Zusammenfassung der Einzelakte zu einem einzigen Verstoß auch entgegensteht, dass von einem vorsätzlichen Verhalten der Beklagten auszugehen sein könnte. Der Bundesgerichtshof (a.a.O.) hat angenommen, dass ein vorsätzliches Verhalten der Zusammenfassung der Einzelakte zu einer einzigen Zuwiderhandlung regelmäßig entgegensteht. Wie bereits erwähnt, sind einzelne der Schreiben ihrer Formulierung nach gezielt an Kunden gerichtet, zu denen längere Zeit kein Kontakt mehr bestand. In diesem Fällen liegt ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung aus der damaligen Sicht der Beklagten besonders nahe. Ob daraus ein vorsätzliches Verhalten folgt, mag dahin stehen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Der zuzusprechende Zinssatz beträgt gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, wie erstinstanzlich beantragt und mit der Berufung weiter verfolgt, sind nicht gerechtfertigt, weil die Voraussetzungen des § 288 Abs. 2 BGB, der diesen Zinssatz regelt, nicht vorliegen. Der Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe ist keine "Entgeltforderung".

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: EUR 16.000,--.


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