Gerichtsentscheidung: Strafvollzugsrecht



§ 43 StVollzG

Auszahlung von "Urlaubstagen"

Landgericht Marburg
Beschluß vom 11.12.2009, 7a StVK 220/09

Beschluß

In dem Strafvollzugsverfahren

des     Herrn X,

Antragssstellers

gegen     die Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt [...]

Antragsgegnerin



    Der Bescheid der Antragsgegnerin in der Form des Bescheides des "H.B. Wagnitz-Seminar - Dienstleistungszentrum für den hessischen Justizvollzug, Außenstelle VCC Nordhessen" vom 18.09.2009 wird aufgehoben und die Sache zur Entscheidung nach Maßgabe der Gründe des vorliegenden Beschlusses zurückverwiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

    Der Gegenstandswert wird auf die Höhe des noch zu berechnenden Auszahlungsbetrages festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller befindet sich seit 13.09.1993 durchgängig im hessischen Strafvollzug, inzwischen in der Sicherungsverwahrung. Er beantragte nach § 43 Abs. 11 StVollzG die Auszahlung der Vergütung für 17 Arbeitstage, was ihm durch den im Tenor genannten Bescheid unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Hamm verwehrt wurde.

Der dagegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung, für den die Antragsgegnerin (und nicht das Dienstleistungszentrum) Gegenpartei ist, ist zulässig und begründet. Es geht um die Frage, ob die Zehn-Jahres-Frist des § 43 Abs. 11 StVollzG erst ab Inkrafttreten der Vorschrift am 01.01.2001 gilt oder ob es ausschließlich auf Verbüßungszeiten ankommt. Ersteres wird vom OLG Hamm vertreten, letzteres von den Oberlandesgerichten Rostock und Celle sowie vom Kammergericht Berlin. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ist der Kammer nicht bekannt. Die Kammer folgt den letztgenannten Gerichten.

Das Kammergericht hat dazu überzeugend ausgeführt (NStZ-RR 2006, 123):

    "1. § 43 StVoIIzG regelt in Verbindung mit § 200 StVollzG die Anerkennung der von Strafgefangenen geleisteten Pflichtarbeit. Diese Vorschriften wurden durch Art. 1 Nr. 2 und 9 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 27. Dezember 2000 (BGBl. I, 2043) neu gefaßt und traten am 1. Januar 2001 in Kraft. Die Neuregelung dient der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 1998 (BVerfGE 98, 169 = NJW 1998, 3337. = ZfStrVo 1998, 242), in dem das Gericht die zuvor geltende Bemessung des Arbeitsentgelts für mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Resozialisierung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) unvereinbar erklärte und dem Gesetzgeber die Normierung einer angemessenen Anerkennung geleisteter Pflichtarbeit aufgab. Die grundlegende Neufassung des § 43 StVollzG greift den Gedanken des Bundesverfassungsgerichts auf, daß die Anerkennung der Arbeitsleistung nicht ausschließlich finanzieller Art sein müsse, sondern mit nicht-monetären Maßnahmen kombiniert werden könne. Die Neuregelung erhöht zum einen das Barentgelt der Gefangenen um 80%; zum anderen tritt ein Naturalentgelt hinzu, indem den Gefangenen die Freistellung von der Arbeit ermöglicht wird, die grundsätzlich als Urlaub innerhalb oder außerhalb der Haftanstalt gewährt oder mit bis zu sechs Tagen im Jahr auf den Entlassungszeitpunkt im Sinne einer Haftzeitverkürzung angerechnet werden kann (§ 43 Abs. 6, 7 und 9 StVollzG). § 43 Abs. 11 Satz 1 StVollzG gewährt für den Fall, daß eine Anrechnung der erarbeiteten Freistellungstage auf den Entlassungszeitpunkt nicht möglich ist, einen 15%igen Zuschlag zum Arbeitsentgelt als Ausgleichsentschädigung, wobei der Anspruch auf Auszahlung nach § 43 Abs. 11 Satz 2 StVoIIzG erst mit der Entlassung entsteht. Da bei Gefangenen mit lebenslanger. Freiheitsstrafe und bei Sicherungsverwahrten der Entlassungszeitpunkt regelmäßig noch nicht bestimmt ist und die konkrete Möglichkeit besteht, daß sie nie entlassen werden, so daß damit auch eine Anrechnung von Freistellungstagen ausgeschlossen wäre, trifft § 43 Abs. 11 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 10 Nr. 1 StVoIIzG für diese Personen eine Sonderregelung. Sie besteht darin, daß ihnen - wenn sie ihre Freistellungstage nicht in der Anstalt verbringen wollen ("Zellenurlaub") und Urlaub außerhalb der Haftanstalt ("Arbeitsurlaub", § 43 Abs. 7 StVollzG) nicht genehmigt erhalten - die Ausgleichszahlung bereits nach Verbüßung von jeweils zehn Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung zum Eigengeld gutgeschrieben wird.

    Dieser Sonderregelung ist folgende Gesetzgebungsgeschichte vorausgegangen: Dem Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drs. 14/4452) lag ein Gesetzentwurf des Landes Sachsen-Anhalt (BR-Drs. 405/00) zugrunde, der vorsah, eine Anrechnung insgesamt auszuschließen, soweit eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt oder die Sicherungsverwahrung vollzogen wird. In diesen Fällen sollte wegen der Art der Freiheitsstrafe oder der Person des Gefangenen oder Untergebrachten eine Vorverlegung der Entlassung nicht in Frage kommen, weil sie dem Zweck des Strafvollzuges bzw. der Sicherungsverwahrung zuwiderliefe. Ohne einen Ausschluß hätten Lebenszeitgefangene und Sicherungsverwahrte deutlich mehr Tage zur Vorverlegung der Entlassung ansparen können als Gefangene mit zeitigen Freiheitsstrafen, die auf höchstens 90 Freistellungstage (15 mal 6) kommen. Diese Häufung war rechtspolitisch nicht gewollt. Folge eines pauschalen Ausschlusses der haftzeitverkürzenden Anrechnung wäre aber gewesen, daß gerade die Gruppe der besonders schwer verurteilten Straftäter bei der Entlassung eine erhebliche Ausgleichsentschädigung in Geld erhalten hätte; auch dieses Aufstauen eines großen Geldanspruchs sollte verhindert werden. Die Gesetz gewordene Lösung dieses Zielkonfliktes beruht auf einer Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates (BR-Drs. 405/1/00), nach der Gefangene mit lebenslanger Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrte nach zehn Jahren (und ggf. nach 20 Jahren und so fort) Verbüßungsdauer gemäß § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG die Gutschrift einer Ausgleichsentschädigung erhält. Damit sind die bis dahin angefallenen Freistellungstage verbraucht und können nach Festlegung des Entlassungszeitpunktes nicht etwa aufleben (vgl. zum Gesetzgebungsverfahren Lückemann in Arloth/Lückemann, StVollzG § 43 Rdn. 25). Die beschriebene Neuregelung der Entlohnung der Strafgefangenen ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfG NJW 2002, 2023 = NStZ 2003, 109 = StV 2002, 374).

    2. a) Daß die Ausgleichszahlung nicht zu einem beliebigen, von dem Gefangenen zu bestimmenden Zeitpunkt, sondern nur nach Verhüßung bestimmter Zeitintervalle dem Eigengeld des Gefangenen gutzuschreiben ist, legt bereits der Wortlaut des § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG nahe. Denn mit der Formulierung, "die Ausgleichszahlung (wird) bereits nach Verbüßung von jeweils zehn Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe (...) zum Eigengeld (...) gutgeschrieben", sind feste Zeitintervalle umschrieben, deren Vollendung jeweils mit einem bestimmten Erfolg, der Gutschrift, verbunden ist. "Wird ... nach Verbüßung... gutgeschrieben" bedeutet für die Rechtspflicht der Anstalt: nicht "irgendwann" nach Ablauf, sondern von Amts wegen - also unabhängig von einem Antrag - "unverzüglich" nach dem Eintreten der Auszahlungsvoraussetzungen: dem Ablauf der Zehn-Jahres-Frist und dem Vorhandensein von nicht durch Arbeitsurlaub oder "Zellenurlaub" verbrauchten Geldansprüchen. Bereits der Wortsinn ergibt ferner, daß die Ausgleichszahlung nur für diejenige Arbeitstätigkeit gutgeschrieben wird, die bis zum Ende der zurückliegenden Verbüßungsdekade von dem Gefangenen erbracht worden ist.

    Im Falle des Beschwerdegegners war die erste Zehnjahresfrist, worauf er selbst hinweist, am 26. Juni 2000 beendet. Demgegenüber beruft er sich in seinem Antrag auf Arbeitstätigkeiten, die er seit dem 1. Januar 2001, also erst nach Ablauf der ersten Verbüßungsdekade, erbracht hat.

    b) Auch die anschließende in § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG enthaltene einschränkende Formulierung, "soweit er nicht vor diesem Zeitpunkt entlassen wird", erweist nach ihrem Wortsinn und dem Bedeutungszusammenhang, in dem sie zu der vorerörterten Zehnjahresregel steht, daß von der gesetzlichen Anordnung, daß die Gutschrift nur nach Erreichen bestimmter Stichtage erfolgt, allein in dem dort genannten Ausnahmefall, nämlich der Haftentlassung zwischen zwei Dekadenendpunkten, abzuweichen ist. Daran, daß das Gesetz hier von "diesem Zeitpunkt" spricht und sich damit ersichtlich auf das Ende des jeweiligen Zehnjahreszeitraumes bezieht, wird deutlich, daß es damit unverrückbare Zeitpunkte meint, die nicht der Disposition des Gefangenen oder der Anstalt unterliegen sollen.

    c) Diese am Wortsinn orientierte Auslegung steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Norm, wie er sich nach den oben unter 1. skizzierten Vorstellungen des Gesetzgebers darstellt. Dessen Anliegen war es, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen und dem Gefangenen den Wert der regelmäßig geleisteten Arbeit in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen (vgl. BVerfGE 98, 169). Das geschieht aber entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht dadurch, daß auch die Ausgleichszahlung dem Gefangenen möglichst rasch zugewendet werden muß, um seine Einkaufsmöglichkeiten zeitnah zur Arbeitsleistung zu verbessern. Gegen eine solche Sicht spricht schon die sehr lang bemessene Frist von zehn Jahren. Dem verfassungsrechtlichen Gebot einer die Resozialisierung fördernden Entlohnung dient ein abgestuftes System: In erster Linie wird die Arbeit monetär durch das auf 9% der Bezugsgröße angehobene, dem Gefangenen regelmäßig monatlich ausgezahlte Arbeitsentgelt und nicht-monetär durch Freistellung von der Arbeit oder Anrechnung auf den Entlassungszeitpunkt ("good time") anerkannt (§ 43 Abs. 1 StVollzG). Die Ausgleichsentschädigung hingegen ist nur ein Surrogat für den Fall, daß der Gefangene von dem Regelfall der nicht-monetären Anerkennung nicht profitieren kann (vgl. Lückemann in Arloth/Lückemann, StVollzG, § 43 Rdn. 30). Ihre verfassungsrechtliche Bedeutung erschöpft sich darin zu verhindern, daß ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilter Gefangener oder ein Sicherungsverwahrter regelhaft voraussehbar möglicherweise zu keinem Zeitpunkt eine Gelegenheit erlangen kann, je der Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts teilhaftig werden zu können, sofern ihm Arbeitsurlaub nicht gewährt wird und er "Zellenurlaub" nicht in Anspruch nimmt. Soweit der Antragsteller damit argumentiert, er dürfe immer nur sechs Urlaubstage ansparen und verliere nach jeweils einem Jahr den Urlaubsanspruch, ist ihm entgegenzuhalten, -daß der Senat diese Verwaltungsvorschriften (Nr. 5 Abs. 1 W zu § 43 StVollzG in Verbindung mit Nr. 4 Abs. 1 VV zu § 42 StVollzG) für unwirksam erklärt hat (vgl. Senat ZfStrVO 2005, 242).

    Die Einführung der Zehn-Jahres-Frist diente dazu, den Anrechnungsumfang bzw. die Höhe des Ausgleichsanspruchs für die Gefangenengruppe, der der Antragsteller angehört, aus den genannten rechtspolitischen Gründen im Voraus berechenbar zu begrenzen. Dieses Ziel könnte indes nicht erreicht werden, hätten es diese Gefangenen in der Hand, den Zeitpunkt der Gutschrift der Ausgleichsentschädigung beliebig selbst zu bestimmen. So wäre es aber, folgte man dem Antragsteller und mit ihm der Strafvollstreckungskammer. Denn nach deren Auffassung hätte der Gefangene seinen Antrag zu einem beliebigen Zeitpunkt seit dem 1. März 2001 (als er den ersten Urlaubstag erarbeitet hatte) stellen können.

    3. Der Senat teilt allerdings nicht die Ansicht des OLG Hamm (ZfStrVo 2005, 304), daß nicht nur die Entstehung von Ansprüchen (siehe unten 4.), sondern auch die maßgebliche Verbüßungsdauer erst mit dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Januar 2001 beginne. Für die Berechnung der Zehnjahresfrist ist allein die tatsächliche Verbüßungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe maßgebend.

    Die Fragen der Entstehung des Anspruchs und der Berechnung der zehnjährigen Verbüßungsdauer müssen gedanklich getrennt werden; denn die Berechnung der Verbüßungsdauer betrifft nicht die Anspruchsentstehung, sondern allein die Bemessung der jeweiligen Zeitintervalle, nach deren Ende die Gutschrift der Ausgleichszahlung zu erfolgen hat. Daß die erste zu berücksichtigende Dekade erst mit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 43 StVollzG am 1. Januar 2001 beginnen soll, hat der Gesetzgeber nicht angeordnet; einen dahingehenden allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt es nicht. Die Bemessung der Stichtage anhand einer Anknüpfung an ein vergangenes Ereignis - den Beginn der Strafhaft - führt zu keiner Rückwirkung des Gesetzes. Vielmehr ergibt sir:h aus der in § 43 Abs. 11 Satz 3 letzter Halbsatz StVollzG enthaltenen Anordnung, § 57 Abs. 4 StGB gelte entsprechend, daß bei der Berechnung der Frist in dem Verfahren erlittene Untersuchungshaft oder eine sonstige Freiheitsentziehung entsprechend der Regelung in § 13 Abs. 3 StVollzG zu berücksichtigen ist (vgl. LG Frankfurt am Main NStZ 2005, 55). Diese Anrechnungsregel liefe ins Leere, wollte man mit dem OLG Hamm die Untersuchungshaft nicht anrechnen. Sie zeigt aber auch auf, daß der Gesetzgeber durchaus einen Unterschied zwischen der (erst seit dem 1. Januar 2001 möglichen) Anspruchsentstehung und der Berechnung der Zehnjahresfrist macht.

    Die Senatsverwaltung für Justiz hat auf Bitten des Senats eine Länderumfrage zur Handhabung des § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG durchgeführt. Sie hat aufgezeigt, daß eine große Mehrheit (10:3) derjenigen Bundesländer, die sich in der Sache geäußert haben, die Zehn-Jahres-Frist unabhängig von dem Inkrafttreten des Gesetzes beginnen läßt. Konsequenz der Handhabung, die erste Zehnjahresfrist erst mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes beginnen zulassen, wäre überdies, daß sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland einsitzenden Gefangenen mit lebenslanger Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrten, deren Strafen und Maßregeln über den 1. Januar 2011 hinaus länger als zehn Jahre vollstreckt werden, massenhaft zum gleichen Zeitpunkt zu entschädigen wären, was dann ohne sachliche Notwendigkeit zu einer unzuträglichen Belastung der Arbeitsverwaltungen und Zahlstellen der Justizvollzugsanstalten führte, anstatt daß sich die Arbeitslast kontinuierlich auf zehn Jahre verteilt."

Das OLG Rostock hat ausgeführt (NStZ-RR 2008, 62):

    "1. § 43 StVoIIzG regelt i. V. m. § 200 StVollzG die Anerkennung der von Strafgefangenen geleisteten Pflichtarbeit. Diese Vorschriften wurden durch Artikel 1 Nr. 2 und 9 des 5. Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 27.12.2000 (BGBl 12043) neu gefasst und traten am 01.01.2001 in Kraft. Die Neuregelung dient der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 01.07.1998 (BVerfGE 98, 169), in dem das Gericht die zuvor geltende Bemessung des Arbeitsentgelts von Strafgefangenen für mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Resozialisierung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) unvereinbar erklärte und dem Gesetzgeber die Normierung einer angemessenen Anerkennung für geleistete Pflichtarbeit aufgab.

    Die Neuregelung erhöht zum einen das Barentgelt der Gefangenen, zum anderen tritt ein Naturalentgelt hinzu, indem dem Gefangenen die Freistellung von der Arbeit ermöglicht wird, die grundsätzlich als Urlaub innerhalb oder außerhalb der Haftanstalt gewährt oder mit bis zu 6 Tagen im Jahr auf den Entlassungszeitpunkt im Sinne einer Haftzeitverkürzung angerechnet werden kann (§ 43 Abs. 6, Abs. 7 und Abs. 9 StVollzG). § 43 Abs. 11 Satz 1 StVoIIzG gewährt für den Fall, dass eine Anrechnung der erarbeiteten Freistellungstage auf den Entlassungszeitpunkt nicht möglich ist, einen 15-prozentigen Zuschlag zum Arbeitsentgelt als Ausgleichsentschädigung, wobei der Anspruch auf Auszahlung nach § 43 Abs. 11 Satz 2 StVoIIzG erst mit der Entlassung entsteht. Da bei Gefangenen mit lebenslanger Freiheitsstrafe und bei Sicherungsverwahrten der Entlassungszeitpunkt regelmäßig noch nicht bestimmt ist und die konkrete Möglichkeit besteht, dass sie nie entlassen werden, sodass damit auch eine Anrechnung von Freistellungstagen ausgeschlossen wäre, trifft § 43 Abs. 11 Satz 3 i. V. m. Abs. 9 Nr. 1 StVollzG für diese Personen eine Sonderregelung. Sie besteht darin, dass ihnen -wenn sie ihre Freistellungstage nicht in der Anstalt verbringen wollen ("Zellenurlaub") und Urlaub außerhalb der Haftanstalt ("Arbeitsurlaub", § 43 Abs. 7 StVollzG), nicht genehmigt erhalten - die Ausgleichszahlung bereits nach Verbüßung von jeweils 10 Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung zum Eigengeld gutgeschrieben wird. Mit den Neuregelungen in § 43 StVollzG war eine vom Bundesverfassungsgericht von Verfassungs wegen geforderte Besserstellung der Strafgefangenen umzusetzen. Es galt, dem Gefangenen auch den Wert der regelmäßig geleisteten Arbeit in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen (vgl. BVerfGE 98, 169 m. w. N.; Kammergericht, NStZ-RR 2006, 123 m. w. N.). Dem verfassungsrechtlichen Gebot einer die Resozialisierung fördernden Entlohnung gemäß sind in § 43 Abs. 11 Satz 3 StVollzG feste Zeitintervalle umschrieben, deren Vollendung jeweils mit einem bestimmten Erfolg, der Gutschrift, verbunden ist. Aus dem Wortlaut der vorbezeichneten Bestimmung folgt, dass die Gutschrift nach Ablauf des bestimmten Zeitabschnittes von Amts wegen unabhängig von einem Antrag des Gefangenen unverzüglich nach dem Eintreten der Auszahlungsvoraussetzungen vorzunehmen ist. Davon ist allein dann abzuweichen, wenn der Gefangene zwischen zwei Dekadenendpunkten entlassen werden sollte (Kammergericht a. a. 0.).

    2. Der Senat teilt mit dem Kammergericht (a. a. 0.) nicht die Ansicht des OLG Hamm (NStZ 2005, 61), dass nicht nur die Entstehung von Ansprüchen, sondern auch die maßgebliche Verbüßungsdauer erst mit dem Inkrafttreten der Neuregelung am 01.01.2001 beginne. Für die Berechnung der 10-Jahres-Frist ist allein die tatsächliche Verbüßungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe maßgebend. Die Fragen der Entstehung des Anspruchs und der Berechnung der 10-jährigen Verbüßungsdauer müssen gedanklich getrennt werden; denn die Berechnung der Verbüßungsdauer betrifft nicht die Anspruchsentstehung, sondern allein die Bemessung der jeweiligen Zeitintervalle, nach deren Ende die Gutschrift der Ausgleichszahlung zu erfolgen hat. Dass die erste zu berücksichtigende Dekade erst mit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 43 StVollzG am 01.01.2001 beginnen soll, hat der Gesetzgeber nicht angeordnet; einen dahingehenden allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt es nicht - er wäre mit der verfassungsrechtlich gebotenen und vom Gesetzgeber gewollten Besserstellung der betroffenen Strafgefangenen auch nicht vereinbar. Die Bemessung der Stichtage anhand einer Anknüpfung an ein vergangenes Ereignis - dem Beginn der Strafhaft - führt zu keiner Rückwirkung des Gesetzes. Vielmehr ergibt sich aus der in § 43 Abs. 11 Satz 3 letzter Halbsatz StVollzG enthaltenen Anordnung, § 57 Abs. 4 StGB gelte entsprechend, dass bei der Berechnung der Frist in dem Verfahrenen erlittene Untersuchungshaft oder eine sonstige Freiheitsentziehung entsprechend der Regelung in § 13 Abs. 3 StVollzG zu berücksichtigen ist. Hieraus folgt auch, dass der Gesetzgeber einen Unterschied zwischen der (erst seit dem 01.01.2001 möglichen) Anspruchsentstehung und der Berechnung der 10-Jahres- Frist zwecks Gutschrift der Ansprüche macht (vgl. zu Vorstehendem auch Kammergericht a. a. 0.; OLG Hamm a.a.O.)."

Das OLG Celle hat ergänzt (StraFo 2008, 484):

    "Bereits der Wortlaut von § 43 Abs. 11 StVollzG zumindest nahe, dass für, den Fristbeginn auf eine "Verbüßung von jeweils zehn Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung" abzustellen ist. Gleiches gilt für die entsprechende Regelung des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen § 40 Abs. 10 NJVoIIzG. Auch aus den Gesetzgebungsmaterialien hierzu geht nichts Gegenteiliges hervor. Überdies liefe der auch in § 40 Abs. 10 NJVoIIzG enthaltene Hinweis auf § 57 Abs. 4 StGB in weiten Teilen leer, wenn die Frist sich nicht am tatsächlichen Vollzugszeitraum orientierte, sondern erst mit Inkrafttreten des Gesetzes zu laufen begönne. Denn in diesem Falle blieben vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits verbüßte Zeiten etwa der Untersuchungshaft unberücksichtigt. Schließlich weist auch das Kammergericht bereits zutreffend darauf hin, dass bei Zugrundelegen der Auffassung des OLG Hamm sämtliche am 1. Januar 2011 in Deutschland einsitzenden Gefangenen mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung massenhaft zum gleichen Zeitpunkt zu entschädigen wären, was ohne sachliche Notwendigkeit zu einer unzuträglichen Belastung der Justizverwaltung führte."

Dem hat die Kammer nichts hinzuzufügen.

Die Berechnung des Anspruchs im einzelnen ist Sache der Antragsgegnerin; die dafür erforderlichen Daten sind dem Gericht nicht bekannt und für die Entscheidung der Grundsatzfrage auch nicht von Bedeutung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 StVollzG. Der Wert des Gegenstandes ergibt sich aus dem erst noch zu berechnenden Betrag, so dass auf diesen zu verweisen ist.








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