Gerichtsentscheidung: Strafrecht



§§ 29a, 33 BtMG, 73a StGB, 111d StPO

Dinglicher Arrest zur Sicherung des Verfalls von Wertersatz

Landgericht Kassel
Beschluß vom 10.03.2009, 6 Qs 69/09

Beschluß

In der Strafsache

gegen     Herrn X
wegen     des Verdachts des Verstoßes gegen das BtMG

hier: Beschwerde gegen eine Anordnung des dinglichen Arrests zur vorläufigen Sicherung des Verfalls von Wertersatz

hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Kassel durch Vorsitzenden Richter am Landgericht M, Richter am Landgericht P und Richter am Landgericht B am 10.03.2009 beschlossen:

    Die Beschwerde gegen den Arrestbeschluss des Amtsgerichts Kassel vom 18.02.2009 wird auf Kosten der Beschuldigten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Dem Angeklagten liegt mit, von dem Amtsgericht Kassel mit Beschluss vom 18.02.2009 zugelassener Anklageschrift vom 16.12.2008 zur Last, in Kassel im Juli 2007 in 3 Fällen sowie in 3 weiteren Fällen am 29.11.2007, am 01.12.2007 sowie am 05.11.2008 mit Betäubungsmitteln. unerlaubt Handel getrieben zu haben, wobei es sich in den Fällen 1 und 2 um jeweils nicht geringe Mengen handelte und die Taten in den verbleibenden Fällen 3 bis 6 gewerbsmäßig begangen wurden. Der Angeklagte habe von dem gesondert verfolgten Sven X in der ersten Juliwoche 2007 - Fall 1 - 1000 weiße Ecstasy-Tabletten, eine Woche später - Fall 2 - 750 g Amphetamin und 1 bis 3 Wochen später - Fall 3 - 500 Ecstasy-Pillen erworben; der Preis für die Ecstasy-Tabletten habe 1,30 Euro je Stück betragen; das Amphetamin (Fall 2) habe der Angeklagte zum Grammpreis von 3,50 Euro erworben. In den Fällen 4 und 5 habe der Angeschuldigte am 29.11. uns 01.12.2007 gewinnbringend an den Zeugen X jeweils 200 Ecstasy-Tabletten zum Stückpreis von 1,20 Euro verkauft; 175 dieser Tabletten seien am 03.12.2007 bei der Durchsuchung der Wohnung des Zeugen X sichergestellt worden. Bei der Durchsuchung eines von dem Angeklagten in der G-Straße in K. bewohnten Zimmers seien am 05.11.2008 - Fall 6 der Anklage - insgesamt 30,7 g Amphetamin, 3,4 g Haschisch und 49 Ecstasy-Tabletten sichergestellt worden, die der Angeklagte zumindest teilweise zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt habe. Es handele sich um Verbrechen und Vergehen gemäß § 29. Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 53 StGB. Das sichergestellte Betäubungsmittel unterliege gemäß § 33 StGB (sic - gemeint wohl: § 33 BtMG, Anm.) der Einziehung.

Mit angegriffenem Beschluss vom. 18.02.2009 hat das Amtsgericht Kassel auf Antrag der Staatsanwaltschaft in das Vermögen des Angeklagten den dingllichen Arrest in Höhe von 5.055,00 Euro angeordnet. Der Angeklagte sei dringend verdächtig, entsprechend der erhobenen Anklage vom 16.12.2008 von dem gesondert verfolgten X im Juli 2007 zum gewinnbringenden Weiterverkauf 1.500 XTC-Tabletten und 750g Amphetamin erworben zu haben, wobei bereits der Einkaufspreis 4.575,00 Euro betrug, und dem Zeugen X im November und Dezember 2007 XTC-Tabletten für 480,00 Euro verkauft zu haben. Dass der Angeklagte die Taten im wesentlichen bestreite, stehe dem Tatverdacht nicht entgegen. Dies sei strafbar als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, zum Teil in nicht geringer Menge gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB. Es seien dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Voraussetzungen für den Verfall von Wertersatz gemäß § 73a StGB vorlägen. Der dingliche Arrest sei anzuordnen, da sonst zu befürchten sei, dass die spätere Vollstreckung des Anspruchs auf Verfall von Wertersatz vereitelt oder wesentlich erschwert würde, §§ 111d Abs.2 StPO i.V.m. § 917 ZPO.

Hiergegen wendet sich die von dem Verteidiger des Beschuldigten eingelegte Beschwerde vom 27.02.2009. Das Amtsgericht Kassel hat ausweislich Vermerks vom 03.03.2009 der Beschwerde aus. den Gründen des angegriffenen Beschlusses nicht abgeholfen; die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kassel hat die Akten der Beschwerdekammer mit dem Antrag vorgelegt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Es sei darauf hinzuweisen, dass der hinreichende Verdacht eines Handeltreibens gegen den Angeklagten, wie er sich aus den Angaben des Zeugen X ergebe, durch das Ergebnis der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 05.11.2008 unterstützt werde.

II.

Die Beschwerde ist nach § 304 StPO zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht mit seinem angegriffenen Beschluss zur Sicherung eines Anspruchs auf Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) den dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeklagten angeordnet. Voraussetzung der Anordnung eines dinglichen Arrests ist, dass Gründe für die Annahme vorliegen, es lägen die Voraussetzungen eines Ersatzverfalls nach § 73 a StGB vor und es sei von einer Verfallsanordnung in der Hauptverhandlung mit Wahrscheinlichkeit auszugehen (vgl. Körner, BtMG, 7. Aufl. 2007, § 33 BtMG Rdnr. 159). Hiernach ist grundsätzlich das Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Straftat sowohl erforderlich wie für die Anordnung des dinglichen Arrests ausreichend (vgl. LG Kassel, Beschluss vom 08.12.2008_- 3 Qs 35, 36/08 -). Es ist allerdings ferner der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, so dass an die. Dringlichkeit der Gründe für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 73a StGB und an die Wahrscheinlichkeit der voraussichtlichen Anordnung des Wertersatzverfalls umso strengere Anforderungen zu stellen sind, je schwerer der mit der Anordnung verbundene Eingriff in das von Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Eigentumsrecht wiegt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29.05.2006 - 2 BvR 820/06 -).

Nach diesem Maßstab hat das Amtsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für einen dinglichen Arrest zutreffend bejaht. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Der zur Anordnung des dinglichen Arrests hinreichende Tatverdacht ist nicht schon deshalb in Frage gestellt, weil der Angeschuldigte in der über seinen Verteidiger abgegebenen Einlassung vom 08.01.2009 den Vorwurf eines gewerbsmäßigen Handeltreibens in Abrede stellen. will. Es steht ferner auch nicht "Aussage gegen Aussage", denn die den Angeklagten belastenden Angaben des gesondert verfolgten X haben zusätzliche Stütze durch objektive Beweisanzeichen in Gestalt der bei dem Angeklagten sichergestellten Betäubungsmittel sowie der auf ein gewerbliches Handeltreiben hindeutenden Beweisanzeichen wie etwa der Auffindung sog. Tickerzettel in der \/Vohnung des Angeklagten gefunden; auch ist das Verfahren gegen den gesondert verfolgten X durch am 03.09.2009 in Rechtskraft erwachsene Verurteilung bzw..im Übrigen durch Einstellung nach § 154 StPO beendet, so dass hinreichende Aussicht auch dafür besteht, der gesondert verfolgte X werde in einer Hauptverhandlung zur Aussäge bereit sein. Es bedarf hiernach bei dem derzeitigen Stand der Ermittlungen auch nicht der umfassenden Abklärung, ob sich die Angaben des gesondert verfolgten X zu Betäubungsmittelgeschäften weiterer Personen jeweils in den aufgrund der Angaben des gesondert verfolgten X gegen diese weiteren Beschuldigten eingeleiteten Strafverfahren durchweg und umfassend bestätigt hätten, um den für den Erlass einer Arrestanordnung zu fordernden Grad der Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwürfe herzuleiten. Es liegt auch eine für den Erlass eines dinglichen Arrests zureichende Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass

gegen den Angeklagten der Verfall eines Wertersatz in Höhe von 5.055,00 Euro nach § 73a StGB anzuordnen sein wird. Der Anordnung steht insbesondere nicht entgegen, dass aus der Tat erlangte Betäubungsmittel als sog. Beziehungsgegenstände nicht dem Verfall, sondern nur der Einziehung nach § 33 Abs. 2 BtMG unterliegen und daher insoweit auch eine ersatzweise Anordnung des Wertersatzverfalls ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vorn 04.06.2003 - 5 StR 30/03; Urteil vom 10.10.2002 - 4 StR 233/02). Zwar schließt dies aus, statt der nicht aufgefundenen Betäubungsmittel den Ersatz eines dem Wert des erlangten Einziehungsobjekts entsprechenden Geldbetrags anzuordnen (vgl. Körner, BtMG, 6. Aufl. 2007, § 33 BtMG Rdnr. 118). Jedoch kann im Falle eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln der Verfall eines Geldbetrages angeordnet werden, der dem Wert des bei dem Täter nicht mehr aufzufindenden Verkaufserlöses entspricht (vgl. Körner, BtMG, 6. Aufl. 2007, § 33 BtMG Rdnr. 108; Rdnr. 120 ff.). Darauf hat ersichtlich auch das Amtsgericht mit seiner Erwägung abgestellt, der Angeklagte sei verdächtig, Tabletten bei dem Zeugen X "zum gewinnbringenden Weiterverkauf" erworben zu haben, wobei "bereits der Einkaufspreis 4.575,00 Euro betrug". Damit wird weder das Kaufgeld noch von dem Angeklagten erlangtes Betäubungsmittel zum Bezugspunkt des Wertersatzverfalls genommen. Vielmehr hat das Amtsgericht zutreffend aus dem Vorliegen eines auf Handeltreiben gerichteten Tatverdachts darauf rückgeschlossen, dass der Angeklagte einen Verkaufserlös aus Absatz-geschäften erzielt haben muss, der nunmehr in den Verfall von Wertersatz rechtfertigender Weise in seinem übrigen Vermögen aufgegangen ist. Auf einen von dem Angeklagten erzielten Gewinn kommt es nach dem für §§ 73, 73a StGB maßgeblichen. sog. Bruttoprinzip dabei nicht an (vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl. 2008, § 73 StGB Rdnr. 7). Es genügt für die Anordnung des. dinglichen Arrests daher, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit überhaupt ein Verkaufserlös. erzielt wurde, der dem Verfall bzw. Verfall von Wertersatz unterliegt. Die Höhe der erzielten Verkaufserlöse hat das Amtsgericht im Wege einer nach §' 73b StGB zulässigen Schätzung auf den seitens des Angeklagten aufgewendeten Einkaufspreis von 4.575,00 Euro veranschlagt. Den Arrestgrund durfte das Amtsgericht, ohne dass hierzu nähere Ausführungen veranlasst waren, bereits aus dem Um-. stand herleiten, dass der Angeklagte allenfalls in geringfügigem Umfang über Arbeitseinkommen und Vermögenswerte verfügt und daher in noch stärkerem Maße als sonstige des Verstoßes gegen Strafvorschriften des BtMG verdächtige Personen veranlasst sein kann, etwa noch vorhandene dem Verfall bzw. Verfall von Wertersatz unterliegende Vermögenswerte noch vor Abschluss des gegen ihn anhängigen Strafverfahrens beiseite zu schaffen und damit dem staatlichen Zugriff zu entziehen.

Die Anordnung hält sich schließlich auch in dem ihr vom verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogenen Rahmen. Zwar wird von § 111 Abs. 2 StPO lediglich eine Ermessensentscheidung eröffnet, ob der dingliche Arrest anzuordnen ist, so dass der staatliche Zugriff auf Vermögen und vermögenswerte Rechte am Maßstab des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG zu messen ist und von daher eine Abwägung zwischen dem Sicherstellungsinteresse des Staates und der wertsetzenden Bedeutung des Eigentumsrechts zu erfolgen hat, bei der die Intensität und Dauer des Grundrechtseingriffs abwägend der Dringlichkeit der Eingriffsmaßnahme gegenüber gestellt werden muss (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 29.05.2006 - 2 BvR 820/06). Jedoch ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht, dass im Falle der Vollziehung des dinglichen Arrests die von dem Angeklagten ausgeübte Tätigkeit als abhängig Beschäftigter etwa durch Atisbringung von Kontenpfändungen gravierend beeinträchtigt werden könnte. Einen Teilbetrag von 1.050,00 Euro seines Vermögens hat der Angeklagte dadurch wiedererlangt, dass das Amtsgericht die Sicherstellung dieses bei ihm aufgefundenen Bargeldbetrags aufgehoben hat. Im verbleibenden Umfang ist den Belangen des Angeklagten hier auch bei Würdigung der Möglichkeit, dass durch Anordnung des Verfalls von' Wertersatz in Höhe von 5.055,00 Euro wesentliche Teile seines Vermögens in Anspruch genommen werden, schon dadurch Rechnung getragen, dass bei Vollziehung des Arrests den nach § 111d Abs. 2 StPO anwendbaren Vorschriften des zwangsvollstreckungsrechtlichen Schuldnerschutzes nach der ZPO Rechnung zu tragen ist und ferner die bereits erfolgte Zulassung der Anklage durch das Amtsgericht auch dafür Gewähr bietet, dass das Verfahren gegen den Angeklagten alsbald abgeschlossen werden kann und daher auch der dingliche Arrest nicht von unverhältnismäßig langer Dauer sein wird. Zudem ist die Arrestanordnung nach § 111d StPO jederzeit aufzuheben, sobald deutlich wird, dass sie .infolge wesentlicher Änderung der Sach- und Rechtslage oder der Dauer des Verfahrens nunmehr unverhältnismäßig geworden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 111d Rdnr. 15). Dafür ist derzeit jedoch (noch) nichts ersichtlich.

Die angegriffene Anordnung ist schließlich auch nicht aus formalen Gründen zu beanstanden. Der Inhalt des Arrestgesuchs folgt aus § 111d Abs. 2 StPO i.V.m. § 920 Abs. 1 ZPO. Hiernach ist eine Beschränkung, des Arrestumfangs auf bestimmte Gegenstände nur erforderlich, wo anderenfalls eine unangemessene Übersicherung etwa aus der Beschlagnahme eines Betriebsgrundstücks für eine Bagatellforderung zu befürchten steht (vgl. Schäfer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 111d StPO Rdnr. 22). Dafür ist vorliegend gleichfalls nichts ersichtlich; der Umfang der Arrestforderung lässt es angesichts der bislang bekannten Einkommens, und Vermögens-verhältnisse nicht als unverhältnismäßige Übersicherung erscheinen, den dinglichen Arrest auf das Gesamtvermögen des Angeklagten zu erstrecken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.






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