Gerichtsentscheidung: Kaufrecht



§§ 164, 433 Abs. 1 BGB

Ein Auto für 19,50 Euro.

Landgericht Kassel
Urteil vom 15.04.2008, 9 O 2539/06

Tenor

    1. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, dem Kläger das Eigentum an dem PKW "…", Farbe grau, Modelljahr 2004, 5 Türen, Datum der Erstzulassung: 04.04.2004 nebst den zugehörigen Fahrzeugpapieren zu übertragen und dem Kläger den PKW und die Papiere zu übergeben Zug um Zug gegen Zahlung von 19,50 Euro;

    2. Der Beklagte zu 2) wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 498,68 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 20.10.2007 zu zahlen;

    3. Dem Beklagten zu 2) wird zur Herausgabe gemäß Zif. 1 eine Frist von 4 Wochen nach Rechtskraft des Urteils gesetzt.

    4. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, nach fruchtlosem Ablauf der in Zif. 3 gesetzten Frist einen Betrag i.H.v. 19.500,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Fristablauf zu zahlen.

    5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    6. Von den Gerichtskosten haben der Kläger 50 % und der Beklagte zu 2) 50 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat der Kläger zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte zu 2) zu 50 % zu tragen. Im Übrigen hat jede Partei ihre Kosten selbst zu tragen.

    7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.


Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner die Lieferung eines PKW "…", Erstzulassung: 04.04.2004, Kilometerstand: 24.800, Zug um Zug gegen Zahlung eines Kaufpreises von 19,50 Euro.

Am 19.08.2006 bot der Beklagte zu 2) unter dem Mitgliednamen "…" auf der Plattform des "…" unter Verwendung der Option "sofort kaufen" zu einem Kaufpreis von 19,50 Euro einen PKW "…", Baujahr 2004 an. Als Verkäuferin war die Beklagte zu 1) – die 85jährige Großmutter des Beklagten zu 2) - mit Namen und Adresse ausgewiesen, wobei die beiden letzten Buchstaben des Nachnamens vertauscht waren. Die Einstellung des Angebots erfolgte über den Internetzugang der Beklagten zu 1).

Der Kläger klickte am 19.08.2006 um 16.46 Uhr auf die Schaltfläche "sofort kaufen" und bestätigte den Vorgang mit seinem Passwort. Er erhielt daraufhin die Verkaufsbetätigung verbunden mit der Aufforderung, sich mit dem Verkäufer in Verbindung zu setzen. Ca. 15 Minuten später erhielt der Kläger von der Telefonnummer, die dem Mobiltelefon des Beklagten zu 2) zuzuordnen ist, eine SMS mit dem Text: "Das Fahrzeug geht nicht raus."

Mit Schreiben vom 18.08.2006 des Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde die Beklagte zu 1) aufgefordert, ihm das Eigentum an dem PKW zu verschaffen.

Eine Herausgabe des Fahrzeuges erfolgte gleichwohl nicht. Am 20.08.2006 wurde das Fahrzeug wieder in das "…" eingestellt, wobei ein Startpreis von 18.500,00 Euro sowie ein Sofortkaufpreis von 19.500,00 Euro durch das "…" zugrunde gelegt wurde.

Der Kläger trägt vor, dass ein wirksamer Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von 19,50 Euro zustande gekommen sei. Der Vertrag sei auch nicht angefochten worden. Die Beklagte zu 1) habe gemeinsam mit dem Beklagten zu 2) den Verkauf getätigt. Die Beklagte zu 1) hafte für die Geschäfte, die über ihren Telefon- bzw. Internetanschluss getätigt werden.

Der Kläger beantragt,

    die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen,

    1. dem Kläger das Eigentum an dem PKW "…", Farbe grau, Modelljahr 2004, 5 Türen, Datum der Erstzulassung: 04.04.2004 – abgebildet auf dem in Anlage dem Urteil beigefügten Lichtbild – nebst den zugehörigen Fahrzeugpapieren zu übertragen und dem Kläger den PKW und die Papiere zu übergeben, Zug um Zug gegen Zahlung von 19,50 Euro;

    2. an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 498,68 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

    3. den Beklagten zur Herausgabe eine Frist von 4 Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu setzen, nach deren Ablauf der Kläger die Leistungen ablehnt;

    4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, nach fruchtlosem Ablauf 19.500,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Fristablauf zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

    die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2) stellte keinen Antrag in der mündlichen Verhandlung.

Der Klägervertreter beantragte insoweit den Erlass eines Versäumnisurteils.

Die Beklagten behaupten, dass ein wirksamer Kaufvertrag nicht zustande gekommen sei. Bei dem Einstellen des Angebotes in das Internet habe es sich um eine bloße "invitatio ad oferendum" gehandelt.

Die Beklagte zu 1) habe von den Geschehnissen bis zum Aufforderungsschreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18.08.2006 keine Kenntnis gehabt. Bei dem Kaufpreisangebot von 19,50 Euro habe es sich um einen Tipp- bzw. Übertragungsfehler bei "…" gehandelt. Aus der Beschreibung des PKW ergebe sich, dass der Handelswert in etwa 19.500,00 Euro betrüge. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist hinsichtlich der Beklagten zu 1) nicht begründet.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten zu 1) kein Anspruch auf Übertragung des Eigentums am Fahrzeug sowie Übergabe der Papiere und des Fahrzeugs zu. Ein Kaufvertrag ist mit der Beklagten zu 1) nicht zustande gekommen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte zu 2) unter dem Mitgliedsnamen "" das Fahrzeug in das Internetauktionsportal "" eingestellt hat. Zwar hat der Beklagte zu 2) hierbei unter Verwendung des Namens der Beklagten zu 1) gehandelt, doch hat das insoweit erfolgte Verkaufsangebot nur Wirkungen hinsichtlich des Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 1) muss sich das Handeln des Beklagten zu 2) nicht zurechnen lassen.

Bei einem Handeln unter fremdem Namen liegt ein Geschäft des Namensträgers dann vor, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die Gegenpartei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande (BGH NJW-RR, 1988, 815/Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Auflage 2008, § 164, Randnr. 11). Ein Eigengeschäft des Handelnden liegt dagegen vor, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der Gegenpartei keine falschen Identitätsvorstellung hervorgerufen hat, diese also mit dem Handelnden abschließen will (BGH NJW-RR 1006, 701; Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 164 Randnr. 12). Dies ist anzunehmen, wenn der andere Teil keine konkreten Vorstellungen über die Identität des Handelnden hatte (BGB, a. a. O., Palandt a. a. O.).

Im vorliegenden Sachverhalt ist nach den vorstehenden Grundsätzen von einem Eigengeschäft des Handelnden – des Beklagten zu 2 - auszugehen.

Der im Rahmen des Verkaufs über das Internetauktionsportal "…"" abgeschlossene Kaufvertrag kommt mit der Person zustande, die hinter dem Mitgliedsnamen steht, nicht der, die als Verkäufer namentlich benannt ist. Die über das Auktions-Haus im Internet erstellten Angebote von Privatleuten und Händlern sind auf anonymisierte Vertragsbeziehungen angelegt. Die Handelnden treten häufig unter einem selbst gewählten Mitgliedsnamen auf. Informationen über die Qualität des Angebotes und die Zuverlässigkeit des Anbieters können allein über das von "" entwickelte Bewertungssystem erlangt werden. Insbesondere der innerhalb dieses System, wie auch im vorliegenden Fall, zu tätigende Sofortkauf, bringt es mit sich, dass der Käufer nicht in Vertragsverhandlungen mit dem ihm unbekannten Verkäufer eintritt, sondern spontan oder jedenfalls relativ kurzfristig entscheidet, ob er die angebotene Ware, so wie sie angeboten ist, "sofort" kauft oder nicht. Insofern geht das Gericht nicht davon aus, dass der Vertrag mit der Person zustande kommt, die namentlich als Verkäufer ausgewiesen ist, sondern mit der Person, die hinter dem Mitgliedsnamen tatsächlich steht.

Insofern steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass hinter dem Mitgliedsnamen "" allein der Beklagte zu 2) steht und auch die E-Mail-Adresse " "ausschließlich durch den Beklagten zu 2) genutzt wird. Aus dem weiteren Kaufangebot des Mitglieds "…" vom 20. August 2006 geht hervor, dass das Mitglied seit 11. Juli 2004 Mitglied bei "" ist. Zum Zeitpunkt des Beginns der Mitgliedschaft bei "" war die Beklagte zu 1) bereits 82 Jahre alt. Es ist daher für das Gericht nachvollziehbar, wenn sie vorträgt, dass die Einrichtung des "…" und die dazu gehörige E-Mail-Adresse nicht über sie erfolgt seien und sie auch keine Kenntnis hiervon gehabt hätte, sondern lediglich einen Telefonanschluss mit Internet-Zugang besitze.

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) den Beklagten zu 2) bevollmächtigt bzw. beauftragt hat, in ihrem Namen oder unter ihrem Namen das Fahrzeug für sie im Internet zum Kauf anzubieten. Insofern hat auch der Beklagte zu 2) im Rahmen seiner Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft eingeräumt, das Fahrzeug bei "" eingestellt zu haben.

Die Beklagte zu 1) haftet auch nicht aus Rechtsscheinsgesichtspunkten. Anhaltspunkte für eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht liegen nicht vor. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1) bis zum auf den 18.08.2006 datierten Aufforderungsschreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers Kenntnis davon hatte, dass der Beklagte unter ihrem Namen Geschäfte im Internet tätigt.

Eine Haftung ergibt sich insoweit auch nicht daraus, dass der Beklagte zu 2) den Internet-Anschluss der Beklagten zu 1) genutzt hat. Wie oben ausgeführt liegt im vorliegenden Sachverhalt aufgrund der Anonymität ein Eigengeschäft des Handelnden und nicht ein Geschäft des Namensträgers vor. Insofern ist nicht maßgeblich, wessen Internetanschluss genutzt wird, sondern wessen "" benutzt wird. Zur Überzeugung des Gerichts steht wie vorstehend ausgeführt fest, dass es sich bei dem "…" um den Beklagten zu 2) gehandelt hat, der nur unter dem Namen der Beklagten zu 1) aufgetreten ist und die Beklagte zu 1) nicht selbst dieses "…" sowie die dazugehörige E-Mail-Adresse eingerichtet hatte. Ein Sachverhalt, in dem ein Unbefugter den "…" eines Dritten unter Verwendung von dessen Passwort genutzt hat, liegt gerade nicht vor.

Hinsichtlich des Beklagten zu 2) war auf Antrag des Klägers Versäumnisurteil zu erlassen. Die Voraussetzungen der §§ 331 I, II ZPO liegen vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 2, 709 ZPO.






_________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________