Gerichtsentscheidung: Kostenrecht



VV 2503 RVG, § 2 BerHG

Geschäftsgebühr für die Beratungshilfetätigkeit des Rechtsanwalts in Strafvollzugssachen

AG Schwalmstadt
Beschluß vom 23.12.2010, 21 IIB 448/09


In der Beratungshilfesache

...

wird auf die Erinnerung des Rechtsanwalts Löwenstein vom 18.03.2010 der Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts Schwalmstadt vom 15.03.2010 aufgehoben. Die zu ersetzenden Kosten werden auf 99,96 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Dem Erinnerungsführer steht eine Geschäftsgebühr gem. RVG VV 2503 zu. Das Verfahren nach § 109 ff. StVollzG ist "seiner Natur nach ein Verwaltungsstreitvefahren" (vgl. BVerfG, Beschluß vom 22.03.2007, 2 BvR 1983/05).


Anmerkungen:

In der Kürze liegt die Würze. Und zutreffend ist die Entscheidung ebenfalls. Immer wieder versuchen die Kostenbeamten der Amtsgerichte, Rechtsanwälten für deren außergerichtliche Tätigkeit in Strafvollzugssachen lediglich eine Beratungsgebühr zuzubilligen, da es sich bei der Vertretung von Strafgefangenen gegenüber den Justizvollzugsanstalten um "Angelegenheiten des Strafrechts" im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 BerHG handele.

Das ist unrichtig, da das Strafvollzugsrecht besonderes Verwaltungsrecht und kein Strafrecht ist (Feest, StVollzG, 4. Auflage, Vor § 1 R. 4 m.w.N.). Die Betonung liegt auf "Vollzugsrecht" und nicht auf dem Präfix "Straf". Zwar sind Strafvollzugssachen den Strafkammern der Landgerichte zur Entscheidung zugewiesen. Diese üben jedoch die Funktion besonderer Verwaltungsgerichte aus. Der Prozeß ist dem Verwaltungsrecht nachgebildet (Calliess/ Müller-Dietz, StVollzG, 10. Auflage, § 109 Rn. 5 m.w.N.).

Diese Auffassung vertritt auch das Bundesverfassungsgericht, das mit Beschluß vom 22.03.2007, 2 BvR 1983/05, ausgeführt hat.

"Gründe, die gegen eine Übertragung dieser Grundsätze auf das Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG sprechen, das trotz der in § 120 Abs. 1 StVollzG enthaltenen Verweisung auf die Vorschriften der Strafprozessordnung seiner Natur nach Verwaltungsstreitverfahren ist (vgl. Müller-Dietz, Die Strafvollstreckungskammer als besonderes Verwaltungsgericht, in: Festschrift 150 Jahre Landgericht Saarbrücken, 1985, S. 335 <340>), sind nicht ersichtlich."

Dementsprechend sieht auch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vor, daß Tätigkeiten in Strafvollzugssachen nicht als Verteidigertätigkeit nach VV 4100 ff. RVG abzurechnen sind, sondern wie bürgerlichrechtliche und verwaltungsrechtliche Angelegenheiten, nach VV 2300, VV 3100 ff. RVG.

Wären Strafvollzugssachen als Strafsachen anzusehen, hieße der Rechtsanwalt in Strafvollzugssachen "Verteidiger". Der Anwalt in Strafvollzugssachen ist jedoch - wie auch in zivil- und verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten - der "Bevollmächtigte." Folgerichtig gibt es in Strafvollzugssachen auch keine Möglichkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Vielmehr kann der Rechtssuchende im gerichtlichen Verfahren lediglich die Beiordnung eines Anwalts im Wege der Prozeßkostenhilfe beantragen.

Der Leiter einer JVA ist nicht Richter und nicht Staatsanwalt, sondern ein Verwaltungsbeamter. Er trifft Entscheidungen, die in manchen Bundesländern zunächst mit dem Widerspruch anzugreifen sind. § 109 Abs. 3 StVollzG spricht insoweit ausdrücklich von einem "Verwaltungsvorverfahren".

Die ganz herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung geht daher davon aus, daß für die außergerichtliche Vertretung von Strafgefangenen im Rahmen der Beratungshilfe eine Geschäftsgebühr nach VV 2503 RVG anfällt.

(vgl. LG Lübeck, Beschluß vom 21.11.1988, 7 T 738/88 = StV 1989, 405; LG Berlin, StV 1986, 166; AG Osnabrück, AnwBl 1982, 496; AG Bochum, StV 1985, 73; AG Werl, Beschluß vom 07.04.1997,5 II 165/96; AG Schöneberg, StV 1985, 73; Korte, StV 1982, 448; vgl. auch LG Osnabrück, AnwBl 1985, 335; LG Münster JurBüro 1984, 447; AG Köln vom 10.05.2007, 365 UR II 1713/06; jeweils mit ausführlichen Begründungen und weiteren Nachweisen).


KANZLEI | ANWÄLTE | REFERENZEN | TÄTIGKEITSGEBIETE | ARBEITSRECHT | BAURECHT | ERBRECHT | FAMILIENRECHT | HANDELSRECHT | INKASSO | INTERNETRECHT | KAUFRECHT | MIETRECHT | REISERECHT | SCHADENSERSATZ | SCHMERZENSGELD | SOZIALRECHT | STRAFRECHT | VERKEHRSRECHT | WERKVERTRAGSRECHT | WOHNUNGSEIGENTUMSRECHT | ZWANGSVOLLSTRECKUNG | TIPS & HINWEISE | KOSTEN | BERATUNGSHILFE | PROZESSKOSTENHILFE | PFLICHTVERTEIDIGER | FORMULARE | KONTAKT | NOTFALL-NUMMER | GERICHTSENTSCHEIDUNGEN: ARBEITSRECHT | GERICHTSENTSCHEIDUNGEN: FAMILIENRECHT | GERICHTSENTSCHEIDUNGEN: STRAFRECHT | GERICHTSENTSCHEIDUNGEN: STRAFVOLLZUG | GERICHTSENTSCHEIDUNGEN: URHEBERRECHT | GERICHTSENTSCHEIDUNGEN: VERWALTUNGSRECHT | GERICHTSENTSCHEIDUNGEN: HAUSDURCHSUCHUNG | GERICHTSENTSCHEIDUNGEN: PFLICHTVERTEIDIGER | SITEMAP