Gerichtsentscheidung: Strafrecht



§§ 69, 142 StGB, 111a StPO

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Wertgrenze für die Bestimmung des bedeutenden Fremdschadens

Landgericht Frankfurt/Main
Beschluß vom 13.05.2008, 5/9a Qs 5/08

Beschluß

In dem Ermittlungsverfahren

gegen     X
wegen     YY

hat die 9. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Landgericht A, Richter am Landgericht B und Richterin am Landgericht C am 13.05.2008 beschlossen:

    Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts in Frankfurt am Main vom 15.01.2008 (Az. 931 Gs 332 Js 1558/08) eingelegte Beschwerde der Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 24.01.2008 wird als unbegründet verworfen.

    Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO in Verbindung mit §§ 69 Abs. 2 Nr. 3, 142 StGB kommt vorliegend nicht in Betracht, da keine dringenden Gründe die Annahme rechtfertigen, dass dem Beschuldigten im Urteil wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort die Fahrerlaubnis entzogen werden wird. Der zulässigen Beschwerde der Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 15.01.2008 war daher der Erfolg zu versagen.

Denn es ist am betroffenen Fahrzeug Opel Astra des Geschädigten ... amtliches Kennzeichen ... lediglich ein Schaden in Höhe von 1.228,33 EUR und damit kein bedeutender Fremdschaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entstanden.

Die Kammer gibt dabei ausdrücklich ihre seit dem Jahre 2004 bestehende ständige Rechtsprechung, die von einer Wertgrenze für die Bestimmung des bedeutenden Fremdschadens in Höhe von 1.000,00 EUR ausging, auf und bemisst nunmehr den Schadensbetrag, mit dem ein bedeutender Fremdschaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB anzunehmen ist aufgrund nachfolgender Begründung mit 1.400,00 EUR.

Nach § 111a Abs. 1 StPO kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluss die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis (endgültig) im Urteil entzogen werden wird; dies gilt bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 69 StGB. Diese Vorschrift regelt wiederum, dass dem Beschuldigten durch das Gericht die Fahrerlaubnis entzogen wird, wenn sich aus der Tat ergibt, dass dieser zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet ist, sofern der Beschuldigte wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wird, weil seine Schuldfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist. Regelmäßig ist ein Täter als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn die rechtswidrige Tat in den Fällen des § 69 Abs. 2 StGB ein Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) ist, wobei der Täter weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB. Dabei stellen die Regelbeispiele des § 69 Abs. 2 StGB eine Regelvermutung dergestalt dar, dass bei der Begehung einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Taten Umstände in der Person des Täters wirksam geworden sind, die Schlussfolgerungen auf die charakterliche Ungeeignetheit des Kraftfahrzeugführers zulassen (Fischer, Strafgesetzbuch 55. Auflage, § 69 Rz. 21). Ob die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB und dabei im Rahmen der dortigen Nr. 3 relevant wird, muss dabei anhand der normativen Auslegung des Begriffs des bedeutenden Fremdschadens geklärt werden, wobei die Auslegung dieses normativen Begriffs durch die Rechtsprechung der Strafgerichte zu erfolgen hat. In Entsprechung des in § 142 Abs. 4 StGB verwendeten Begriffes erfasst der Begriff des bedeutenden Schadens grundsätzlich die Bergungs- und Reparaturkosten, also die Kosten zur Behebung des eingetretenen Sachschadens einschließlich der Mehrwertsteuer sowie den entstandenen merkantilen Minderwert unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung (so bereits OLG Schleswig, Urteil vom 02.11.1977 - 1 Ss 670/77 - in VRS 54, S. 33, 35). Hierbei ist der Begriff der "Bedeutung" normativ geprägt durch die nach § 142 StGB üblicherweise vorkommenden Schäden. Bezugspunkt der Ungeeignetheitsprüfung gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist bei Auslegung des genannten Begriffes daher der aufgrund wirtschaftlicher Gesichtspunkte zu ermittelnde tatsächlich entstandene Fremd-Sach-Schaden, wobei des Weiteren vorausgesetzt wird, dass der Täter von dem zu ermittelnden Schadensumfang bei der Tatbegehung wusste oder wissen konnte oder diesen vorwerfbar nicht kannte (Fischer a.a.O., Rz. 27, Himmelreich "Bedeutender Fremd-Sach-Schaden" (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB) und Fahrerlaubnisentziehung in DAR 1994, S. 508, 509). Damit muss die Feststellung des Schadensumfangs sowohl objektiv als auch subjektiv als erhebliches Indiz für die Bestimmung des Begriffs "Bedeutender Schaden" im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB gelten, so dass die daraus resultierende Wertgrenze und deren Bestimmung von erheblicher praktischer Relevanz wird.

Die Bestimmung dieser Wertgrenze hat aber im Verlauf der zurückliegenden Zeit eine unterschiedliche Festlegung erfahren.

So sah das Oberlandesgericht Schleswig im oben zitierten Urteil eine solche von 1.200,00 DM im Jahre 1977 als angemessen an, während das Oberlandesgericht Frankfurt am Main im Beschluss vom 10.08.1976 (Az. 2 Ss 396/76, zitiert nach Juris) noch von einer solchen Wertgrenze in Höhe von 1.000,00 DM ausging. Demgegenüber nahm das Landgericht Nürnberg-Fürth im Beschluss vom 20.10.1989 (Az. 3 Qs 244/89, zitiert nach Juris) bereits zu diesem Zeitpunkt eine Wertgrenze von 2.000,00 DM als maßgebend an, was unter Berücksichtigung des allgemeinen Fortschreitens der Material- und Lohnkosten im Reparaturwesen in einem Beschluss des Landgerichts Bonn (Az. 34 Qs 168/90, zitiert nach Juris) unter dem 24,08.1990 mit einem Schadensbetrag von 2.000,00 DM Bestätigung fand (so auch LG Flensburg, Beschluss vom 31.05.1991, Az. 11 Qs 64/91, zitiert nach Juris). Eine Darstellung der Entwicklung der benannten Kosten erfolgte indes im Rahmen der jeweiligen Begründungen nicht. Demgegenüber ging das Landgericht Kassel in einem Beschluss vom 09.06.1993 (Az. 3 Qs 194/93, zitiert nach Juris) für die Bestimmung des bedeutenden Sachschadens von einem Grenzbetrag von 1.500,00 DM aus, wiederum entgegen Landgericht Köln in einem Beschluss vom 06.12.1999 (Az. 105 Qs 804/93, zitiert nach Juris), das wiederum 2.000,00 DM als maßgeblichen Fremdschaden anerkannte. Die nur exemplarisch dargestellte diesbezügliche Entwicklung in der Rechtsprechung nahm ihren Fortgang in einem Beschluss des Landgerichts Wuppertal vom 27.04.1994 (Az. 23 Qs 200/94, zitiert nach Juris), wobei diese Entscheidung in Anbetracht des erheblichen Lohn- und Preisanstiegs auf dem Gebiet der Kfz-Anschaffung und -Unterhaltung sogar einen Betrag von 2.200,00 DM als Wertgrenze annahm, ohne auch hier jedoch diese Entwicklung näher darzulegen. Die Uneinheitlichkeit der diesbezüglichen Rechtsprechung, auch gerade angesichts des Zeitablaufs, verdeutlicht des Weiteren eine Beschlussentscheidung des Landgerichts Hamburg vom 29.03.1999 (Az. 603 Qs 191/99, zitiert nach Juris), die trotz Zeitablaufs wiederum eine Wertgrenze von 2.000,00 DM für maßgeblich hielt. Bestätigung erfuhr diese Festlegung durch ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 12.06.2002 (Az. (565) 95/150 Pls 1612/01 Ns (74/02), zitiert nach Juris), das trotz des im Vergleich zur vorher zitierten Entscheidung weiter vergangenen Zeitraums weiterhin an der Wertgrenze von 2.000,00 DM festhielt. Unter dem 02.10.2002 entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main (Az. 919 B Gs - 16 Js 27384/02 - 1054, zitiert nach Juris) nach der EURO-Umstellung, dass für den Schadensumfang als maßgeblicher Reparaturaufwand eine Wertgrenze von nunmehr 1.200,00 EUR erheblich sei, wobei auch hier eine nähere Begründung für diese Festlegung unterblieb. Das Landgericht Zweibrücken beschloss unter dem 08.11.2002 (Az. Qs 133/02, zitiert nach Juris) unter Berücksichtigung der Einkommens- und Geldwertentwicklung in den vergangenen Jahren für die seit 2002 entstandenen Schäden die Maßgeblichkeit einer Wertgrenze von sogar 1.250,00 EUR. Eine Darstellung der beschriebenen Einkommens- und Geldwertentwicklung ist dieser Entscheidung indes ebenfalls nicht zu entnehmen. Das Landgericht Düsseldorf nahm in einem Beschluss vom 04.11.2002 (Az. X Qs 144/02 Js 476302, zitiert nach Juris) für den bedeutenden Schaden bereits zu diesem Zeitpunkt "derzeit" 1.300,00 Euro an. Diese Entwicklung der Rechtsprechung nahm ihren Fortgang in einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 13.05.2003 (Az. 603 Qs 231/03, zitiert nach Juris) und einem Wertgrenzenansatz von 1.250,00 EUR, einer weiteren Entscheidung des Landgericht Hamburg vom 23.12.2004 (Az. 603 Qs 536/04, zitiert nach Juris) mit der Festlegung der Wertgrenze o in Höhe von 1.250,00 EUR (ebenso LG Kaiserslautern, Beschluss vom 26.01.2004, Az. 5 Qs 8/04, zitiert nach Juris). Diese Bestimmung der Wertgrenze mit einem Schadensbetrag von 1.300,00 EUR verfestigte sich dann in der Rechtsprechung bis ins Jahr 2006 hinein, ohne sich jedoch einheitlich Geltung zu verschaffen (LG Braunschweig, Beschluss vom 22.11.2004, Az. 8 Qs 392/04; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 14.02.2005, Az. 1 Ss 19/05; LG Berlin, Beschluss vom 17.03.2005, Az. 516 Qs 59/05; LG Paderborn, Beschluss vom 05.09.2005, Az. 1 Qs 118/05; LG Gera, Beschluss vom 22.03.2005, Az. 1 Qs 359/05; OLG Dresden, Beschluss vom 12.05.2005, Az. 2 Ss 278/05; LG Wuppertal, Beschluss vom 09.10.2006, Az. 25 Qs 79/06; LG Berlin, Beschluss vom 15.02.2006, Az. 536 Qs 40/06; LG Heidelberg, Beschluss vom 13.02.2006, Az. 2 Qs 9/06, jeweils zitiert nach Juris). Demgegenüber ging das Landgericht Köln in einem Beschluss vom 28.02.2006 (Az. 101 Qs 20/06, zitiert nach Juris) von einer Größenordnung des Schadensumfangs von mindestens 1.000,00 EUR aus, um die Wertgrenze des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu bestimmen. Eine weitere Übersicht über die Rechtsprechung findet sich in der Kommentierung von Fischer, StGB, 55. Auflage, § 69 Rz. 29 ff. Eine kurze Darstellung der aktuellen Entwicklung in Literatur und Rechtsprechung bietet zudemoHimmelreich/Halm in NStZ 2007, 389, 390 lit. 3d.

Die für die Beschwerdesachen nach § 111a StPO zuständige Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main vertrat bis zu Beginn des Jahres 2004 in Bewertung dieser Fragestellung die Auffassung, dass für die Bestimmung des bedeutenden Schadens im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB eine Wertgrenze von 1.500,00 DM bzw. 750,00 EUR in Ansatz zu bringen sei (exemplarisch, Beschluss vom 16.12.2003, Az. 5/9 Qs 134/03). Im Jahre 2004 erfolgte indes ohne Recherche der Entwicklung der diesbe züglichen, den Schadensumfang bestimmenden Faktoren wie Kosten bzw. der Einkommensentwicklung eine Anhebung dieser Wertgrenze auf 1.000,00 EUR (exemplarisch, Beschluss vom 05.04.2004, Az. 5/9 Qs 131/03), woran die Kammer auch bis zu der nunmehrigen vorliegenden Beschlussfassung durchgängig und in ständiger Rechtsprechung festhielt.

Zwar sahen sich die zuständigen Richter des Amtsgerichts Frankfurt in einem Schreiben an die "Damen und Herren der 9. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main" vom 08.01.2008 veranlasst, erneut ohne Begründung und ohne Bezugnahme auf ein konkretes Verfahren auf eine Vereinheitlichung der erstinstanzlichen Rechtsprechung bzgl. der Festlegung der Wertgrenze in Höhe von 1.300,00 EUR hinzuweisen.

Dessen ungeachtet orientiert die Kammer nunmehr indes aufgrund des Zeitablaufes seit der letzten Anpassung der Wertgrenzenbestimmung die Auslegung des Begriffes "bedeutender Fremdschaden" im Sinne von § 69 Abs, 2 Nr. 3 StGB an den in der Rechtsprechung bereits erarbeiteten Kriterien, die schon vom Oberlandesgericht Schleswig in der oben zitierten Entscheidung zum Ausdruck gebracht worden waren. Denn danach ist der bedeutende Schaden nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen,

    "wobei zur Auslegung des Begriffs die Kosten zur Behebung des Sachschadens und der allgemeinen Einkommensentwicklung entscheidende Bedeutung zukommt. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist maßgebend, weil das geschützte Rechtsgut bei dem Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort darin besteht, die Möglichkeit zu wahren, die durch einen Unfall entstandenen Ansprüche festzustellen und zu sichern sowie unberechtigte Ansprüche abzuwehren ...".

Diese Kriterien werden auch teilweise zur Bestimmung der jeweiligen Wertgrenze in den oben zitierten Entscheidungen bestätigend herangezogen. Jedoch ist den benannten Entscheidungen bis auf die zitierte Bezugnahme auf diese Kriterien keine weitere die Kriterien ausfüllende Begründung der in Bezug genommenen Einkommens- sowie Preisentwicklungen auf dem Gebiet der Reparaturkosten bei Kraftfahrzeugen zu entnehmen. Bei der Bemessung der neuen Wertgrenze von 1.400,00 EUR geht die Kammer dabei von der darzulegenden Entwicklung der Reparaturkosten und des Einkommens seit dem Jahr 2002 aus unter Berücksichtigung der letzten Anpassung der Wertgrenzenbestimmung im Jahr 2004, wobei anzumerken ist, dass die nunmehrige Anpassung auf das Jahr 2004 zu beziehen ist und nicht etwa auf andere, in der Rechtsprechung uneinheitlich zu verschiedenen Zeitpunkten festgelegte Basiswerte.

Vor diesem Hintergrund hat die Kammer die Preis- und Kostenentwicklung im Bereich der Kraftfahrzeugreparaturen seit dem Jahre 2002 durch einen vereidigten Sachverständigen für Straßenverkehrsunfälle, Kfz-Schäden und -Bewertung ermitteln lassen und diese im Ergebnis zur Bemessung eines "bedeutenden Schadens" allgemein und im vorliegenden Fall herangezogen.

Ausgangspunkt für die Ermittlungen der Preis- und Kostenentwicklung im Kfz-Gewerbe war für den gerichtlich bestellten Sachverständigen Wüst dabei ein repräsentativer Kostenvergleich des Aufwandes für die Reparatur einer Fondtür eines Kraftfahrzeugs Typ Mercedes C-Modell in einer Mercedes-Vertragswerkstatt im Raum Frankfurt am Main/Offenbach. Die Reparaturkosten setzen sich dabei aus den Kosten für Karosserie- und Lackierarbeiten, Lackmaterial und Ersatzteile zusammen. Danach werden gemäß vorliegendem Gutachten für notwendige Karosseriearbeiten an einer Fondtür des benannten Modells rund 5 Arbeitsstunden benötigt und der Aufwand für Lackierarbeiten auf ca. 3 Stunden eingeschätzt. Der Materialanteil bzgl. der Lackierarbeiten wird im Kfz-Gewerbe darüber hinaus üblicherweise als prozentualer Anteil - 30 % - der Arbeitkosten (Lohnkosten) bestimmt. Die vom Sachverständigen Wüst ermittelten Arbeits- und Materialkosten sind weiterhin auch auf Reparaturarbeiten an anderen Baugruppen sowie auf Unterschiede der Fahrzeugfabrikate anderer Hersteller oder Instandsetzungsbetriebe übertragbar, weil lediglich ein allgemeiner Preisentwicklungstrend und nicht konkrete Reparaturkosten maßgeblich für die benannte Begriffsbestimmung sein können. Dies hat der Sachverständige Wüst nachvollziehbar dargelegt.

Danach betrugen die Reparaturkosten bei jeweils gleichem Aufwand und Materialverwendung - ohne Mehrwertsteuer - für das Jahr 2002:

Karosseriearbeit 452,10 €
Lackierarbeit 271,26 €
Lackmaterial 81,38 €
Ersatzteil/Material 327,52 €
Summe 1.050,88 €

das Basisjahr 2004:

Karosseriearbeit 511,50 €
Lackierarbeit 306,90 €
Lackmaterial 92,07 €
Ersatzteil/Material 368,65 €
Summe 1.279,12 €

das Jahr 2006:

Karosseriearbeit 587,40 €
Lackierarbeit 352,44 €
Lackmaterial 105,73 €
Ersatzteil/Material 400,08 €
Summe 1.445,65 €

und im Jahre 2008:

Karosseriearbeit 617,50 €
Lackierarbeit 370,50 €
Lackmaterial 111,15 €
Ersatzteil/Material 468,65 €
Summe 1.567,80 €

Prozentual ergibt sich daher auf der Basis des Sachverständigengutachtens ein Preisanstieg bezüglich der relevanten Gesamtreparaturkosten von rechnerisch 22,6 Prozent zwischen den Jahren 2004 (Basisjahr für die vorliegende Berechnung der Wertgrenze durch die erkennende Kammer) und 2008 im Rhein-Main-Gebiet, wobei auf die diesbezügliche Berechnung des Sachverständigengutachtens hingewiesen wird, der indes seine Berechnung prozentual mit 49,2 Prozent auf den Zeitraum 2002 bis 2008 bezog.

Unter Berücksichtigung, der aktuellen Mehrwertsteuer von 19 Prozent ist daher bezogen auf das Basisjahr 2004 = 1.000,00 € rein rechnerisch ein Betrag von 1.458,94 € [1.000,00 € x 22,6 % Preisanstieg = 1.226,00 € x 19 °/0 MwSt. in Höhe von 232,94 € = 1.458,94 €j zunächst als "bedeutend" anzusehen.

Bei der letztlichen Bestimmung der Wertgrenze verbietet sich aber nach Auffassung der Kammer eine rein rechnerische Betrachtungsweise, da ansonsten die Gefahr einer Überbewertung und unangemessenen Gewichtung der Preisentwicklung im KfZGewerbe besteht. Daher hat die Kammer die nachfolgenden Bemessungskriterien im Rahmen der gebotenen normativen Betrachtungsweise einbezogen und gewichtet, ohne diese indes rein rechnerisch im Sinne eines Zu- oder Abschlages zu ermitteln.

Die Bemessung der Wertgrenze des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erfordert über die rein rechnerische Ermittlung der Kostenentwicklung hinaus auch - wie ausgeführt - die normative Bewertung der sonstigen, für das Vorliegen eines bedeutenden Fremdschadens wertbestimmenden Faktoren. Hierzu zählt, wie ausgeführt, insbesondere die allgemeine reale Einkommensentwicklung der Bevölkerung. Dabei kann es sich um eine dem Preisanstieg gegenläufige Entwicklung handeln. Die Bewertung der allgemeinen realen Einkommensentwicklung im Berechnungszeitraum dient dabei gleichsam als Korrektiv, um einen sachgerechten Ausgleich zwischen dem Preisanstieg im KfZ-Gewerbe und der Einkommensstruktur der Bevölkerung herzustellen. Hierdurch kann dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es zwar in dem beschriebenen Umfang zu Preissteigerungen im KfZ-Gewerbe gekommen ist, aber das durchschnittliche reale, also preisbereinigte, Nettoeinkommen der Bevölkerung seit dem Jahre 1991 nahezu unverändert blieb und in seiner Tendenz eher rückläufig ist.

So betrug der durchschnittliche reale Monatsnettolohn im Jahre 1991 1.141,00 EUR, im Basisjahr 2004 1.180,00 EUR und im Jahre 2007 lediglich 1.135,00 EUR, was einem Nettokaufkraftverlust von 3,8 Prozent zwischen den Jahren 2004 bis 2007 entspricht [Quelle: Verteilungsbericht des Deutschen Gewerkschaftsbundes für das Jahr 2008, Ausgabe 01/08, S. 21, Tabelle 4, unter Zugrundelegung der aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes].

Daher wäre unter Berücksichtigung dieser Umstände in wertender Betrachtungsweise eine Wertgrenze anzusetzen, die wiederum nicht unerheblich unter der oben rein rechnerisch sich ergebenden Wertgrenze liegt.

Jedoch erscheint es der Kammer im Interesse der Rechtssicherheit für diese Frage nicht tunlich, die Wertgrenze in Anlehnung an die Preisentwicklung im KfZ-Gewerbe und den sonstigen benannten Faktoren jeweils in kurzen Abständen um relativ geringfügige Beträge zu ändern, sondern hält auch unter Berücksichtigung der zukünftigen Preisentwicklung eine gewisse großzügiger bemessene Festsetzung der Wertgrenze in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB als im Sinne der Rechtssicherheit für notwendig und praxisgerecht.

Nach Abwägung aller für die Bemessung eines bedeutenden Schadens bestimmenden Faktoren, bemisst sich die Wertgrenze für dessen Annahme auf 1.400,00 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.




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