Online-Scheidung?
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Gibt es die "Scheidung per Mausklick"?

Viele Rechtsanwaltskanzleien bieten heutzutage eine sogenannte "Online-Scheidung", "Internetscheidung" oder "Scheidung per Internet" an. Der Begriff könnte zunächst den unrichtigen Eindruck erwecken, man könne sich einen Gang zum Gericht ersparen und alles über den elektronischen Austausch von Informationen und Dokumenten regeln, praktisch von zu Hause, per E-Mail und Mausklick, ohne dem Ehepartner noch einmal begegnen zu müssen.

Dieser Eindruck wäre schon deshalb falsch, weil auch im Falle einer sog. "Online-Scheidung" grundsätzlich ein Scheidungstermin vor Gericht stattfindet, bei dem beide Ehepartner und mindestens ein Anwalt zugegen sein müssen. "Online-Scheidungen" sind gesetzlich ausgeschlossen.

Der Antragsteller, also der Ehepartner, der die Scheidung einreicht, muss sich stets von einem Rechtsanwalt vor Gericht vertreten lassen, unabhängig davon, ob die Scheidung einvernehmlich oder streitig abläuft. Auch die Tätigkeit eines "Online-Scheidungsanwalts" beschränkt sich daher nicht darauf, Informationen entgegenzunehmen, aufzubereiten und weiterzuleiten. Da der Ehegatte, der die Scheidung einzureichen wünscht, regelmäßig die Person ist, die sich an den "Online-Anwalt" wendet, entstehen selbstverständlich auch die üblichen Rechtsanwaltsgebühren, die sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz berechnen und nach dem Gegenstandswert bemessen werden. Der "Online-Anwalt" kann in dieser Hinsicht nicht günstiger abrechnen als der Anwalt in ihrem Heimatort bzw. nächstgelegenen Ort.

Welche Vorteile soll eine Online-Scheidung bringen?

Kanzleien, die "Online-Scheidungen" anbieten, werben zumeist mit geringeren Kosten. Einsparungen sollen auf verschiedenen Wegen zu erzielen sein:

1. Der Mandat spare sich Zeit und Geld für die Fahrt in die Anwaltskanzlei und die dortige Besprechung.

In der Tat können - wie heute allgemein üblich - per E-Mail, Fax und Telefon zahlreiche Informationen und Dokumente ausgetauscht und Besprechungen gehalten werden. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal der "Online-Scheidung", sondern wird bei allen Mandaten in den meisten Kanzleien so praktiziert. Gleichwohl halten wir mindestens ein persönliches Gespräch für unverzichtbar. Viele Fragen des Trennungs- und Scheidungsrechts mit seinen Begleitfolgen wie Unterhalts- und Umgangsregelungen, Versorgungsausgleich, etc., können nach unserer Auffassung nicht oder nicht hinreichend über Fernkommunikationsmittel erörtert und geregelt werden. Diese Fragen können - auch im Falle vermeintlich "einvernehmlicher" Scheidungen - sehr weitreichende Folgen für den Mandanten haben, die ihm beim Ausfüllen eines Online-Formulars oder mittels einer anwaltlichen Belehrung per E-Mail unter Umständen nicht hinreichend bewusst werden. Viele für das Verfahren wichtige Informationen, so zeigt die Erfahrung, lassen sich nur im Rahmen eines persönlichen Gesprächs herausarbeiten. Dabei zeigt sich nicht selten, dass eine vermeintlich "einvernehmliche" Scheidung zahlreiche Streitpunkte aufwirft.

2. Online-Scheidungen seien billiger, da nur "Mindestgebühren" berechnet würden oder eine Streitwertreduzierung erwirkt werden könne.

a) Die Gebühren sind gesetzlich festgelegt

Die Rechtsanwaltsgebühren sind gesetzlich festgelegt. Im gerichtlichen Verfahren fallen immer eine 1,3 Verfahrensgebühr und eine 1,2 Terminsgebühr aus dem vom Gericht festgesetzten Streitwert an. Hinzu kommen Auslagen und Mehrwertsteuer. Diese Gebühren muss auch der "Online-Scheidungsanwalt" von seinem Mandanten verlangen. Das anwaltliche Berufsrecht verbietet es grundsätzlich, geringere Gebühren zu verlangen als gesetzlich festgelegt. § 49b Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte lautet:

    "Es ist unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Im Einzelfall darf der Rechtsanwalt besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers, insbesondere dessen Bedürftigkeit, Rechnung tragen durch Ermäßigung oder Erlass von Gebühren oder Auslagen nach Erledigung des Auftrags."

Der Anwalt handelt also berufsrechts- und wettbewerbswidrig, wenn er seinem Mandanten von vornherein verspricht, geringere Gebühren als die gesetzlich vorgesehenen zu verlangen. Wegen der möglichen berufs- und wettbewerbsrechtlichen Folgen wird das systematische Angebot geringerer Gebühren auch "Online-Scheidungsanwälten" nicht möglich sein. Hierdurch sollen "Dumping-Preise" und eine daraus möglicherweise "schlampige" Arbeit des Anwalts verhindert werdem, der infolge niedrigere Honorare gezwungen sein könnte, mehr Mandate zu bearbeiten und weniger Zeit in einen Auftrag zu investieren. Allenfalls darf der Anwalt im Nachhinein und im Einzelfall die Rechnung ermäßigen oder Gebühren erlassen, um z. B. einem bedürftigen Mandanten entgegenzukommen. Scheidungsverfahren bedürftiger Mandanten werden jedoch regelmäßig über die Verfahrenskostenhilfe abgedeckt. Der Anwalt erhält seine Vergütung also zunächst aus der Staatskasse. Gegenüber der Staatskasse rechnet aber auch der "Online-Anwalt" selbstverständlich die vollen gesetzlichen Gebühren und Auslagen ab. Die Staatskasse wiederum wird versuchen, sich das Geld von dem Verfahrenskostenhilfeempfänger, also dem Mandanten, zurückzuholen, sobald sich dessen Einkommensituation verbessert haben. Mit geringeren Anwaltsgebühren ist daher bei der Online-Scheidung nicht zu rechnen.

b) Den Streitwert setzt das Gericht fest

Das auf "Onlinescheidungs"-Portalen häufig zu findende Versprechen, der Anwalt könne sich erfolgreich für die Reduzierung des Streitwertes bei Gericht einsetzen, so dass sich die Anwaltsgebühren verringerten, entspricht nicht der gängigen Praxis. Ganz überwiegend werden solche Anträge von den Gerichten abgelehnt, da bei einem "Standardfall" - und hierzu zählt auch die einvernehmlichen Scheidung - kein Anlass für eine Streitwertreduzierung besteht. Der Anwalt kann diese Reduzierung gegenüber dem Gericht auch nicht erzwingen, sondern allenfalls (meist erfolglos) beantragen.

In der Regel beträgt der Gegenstandswert (Verfahrenswert) in einem Scheidungsverfahren drei Monatsnettoeinkommen beider Eheleute bezogen auf die letzten drei Monate vor Einreichung des Scheidungsantrags. Der Mindeststreitwert beträgt 3.000,- Euro (§ 43 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Hinzu tritt regelmäßig der Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich (mindestens 1.000,- Euro). Haben die Ehegatten also beispielsweise ein gemeinsames Nettoeinkommen von 4.000,- Euro, resultiert allein hieraus ein Mindestverfahrenswert von 12.000,- Euro. Dies entspricht - ohne Berücksichtigung des Wertes für den Versorgungsausgleich und ggf. weiterer Folgesachen - Anwaltsgebühren in Höhe von 2.005,15 Euro (einschließlich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer). Ferner fallen Gerichtskosten aus diesem Verfahrenswert an.

3. Bei der "Onlinescheidung" entstünden keine Reisekosten, Abwesenheitsgelder, etc.

Auch dieses Versprechen ist im Hinblick auf das "Dumpingpreis-Verbot" des § 49b Abs. 1 BRAO rechtlich fragwürdig. Es wird den Mandanten entweder in Aussicht gestellt, der Anwalt nehme den Gerichtstermin wahr, ohne Kosten für die Hin- und Rückreise (Kfz, Bahn, Taxi, etc.) zu berechnen oder es wird mit dem Einsatz von Terminsvertretern geworben, also Rechtsanwälten, die - für den Mandanten kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt - den Scheidungstermin vor dem örtlich zuständigen Gericht wahrnähmen, letztlich also auf Kosten des "Online-Anwalts" arbeiteten. Diese Zusagen dürften aus berufsrechlichen, wettbewerbsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Gründen zweifelhaft sein.

4. Bei der Online-Scheidung benötige man nur einen Rechtsanwalt

Richtig ist, dass bei der einer einvernehmlichen Scheidung, bei der es nichts weiter zu regeln gibt und bei der keine weitergehenden Anträge gestellt werden, nur der Antragsteller, also derjenige Ehepartner, der die Scheidung einreicht, anwaltlich vertreten sein muss. Der andere Ehepartner kann ohne Rechtsanwalt bei Gericht erscheinen und muss der Ehescheidung lediglich zustimmen.

Auf den Webseiten von "Internetscheidungen" werden jedoch regelmäßig folgende Umstände verschwiegen:

a) Der Rechtsanwalt des Ehepartners darf nur diesen beraten und vertreten. Er darf dem anderen Ehegatten nicht einmal einfache rechtliche Fragen in Bezug auf die Scheidung, Unterhalt, etc., beantworten, da er streng einseitig die Interessen seines Mandanten wahrzunehmen hat. Anderenfalls läuft der Anwalt Gefahr, berufs- und strafrechtlich belangt zu werden (Interessenkollion, Parteiverrat). Dies gilt selbst dann, wenn die Ehepartner sich über alles einig sind.

b) Der andere Ehegatte kann im Scheidungstermin ohne eigenen Anwalt keine Anträge bei Gericht stellen. Das Gericht darf seine Anträge ohne Anwalt nicht entgegennehmen.

c) Ohne Anwalt können die Ehepartner keinen Rechtsmittelverzicht gegen den Scheidungsbeschluss erklären, so dass die Rechtskraft der Scheidung erheblich verzögert wird. Dies ist vor allem dann unerwünscht, wenn einer der Ehegatten schnell erneut heiraten möchte, zum Beispiel, weil ein Kind erwartet wird (vgl. unten Ziffer 5.). Mitunter ist es zwar üblich, dass das Gericht einen sog. "Fluranwalt" hereinruft, der den Rechtsmittelverzicht erklären soll. Es soll also ein am Verfahren unbeteiligter Anwalt, der zufällig im Gerichtsflur auf seinen Termin wartet, hinzukommen und kurzerhand den Rechtsmittelverzicht erklären. Dies wird aus haftungs- und gebührenrechtlichen Gründen jedoch zunehmend für unzulässig gehalten und von seriösen Anwälten auch nicht mehr praktiziert. Zum einen vermag der "Fluranwalt", da er den Fall nicht kennt, die haftungsrechtlichen Folgen des von ihm erklärten Verzichts nicht zu überblicken, zum anderen müsste der Anwalt strenggenommen auch für diesen kurzen Dienst Gebühren berechnen, so dass dem eigentlicht nicht anwaltlich vertretenen Ehepartner die gleichen Kosten entstehen können, als wenn er sich von Anfang an umfassend von einem Anwalt hätte vertreten lassen. Gelegentlich in das Gerichtsprotokoll aufgenommene Erklärungen, wonach der Antragsgegner den "Fluranwalt" von der Haftung freistelle und dieser dafür keine Gebühren verlange, sind im Zweifel rechtlich unwirksam. Im Übrigen besteht aus anwaltlicher Sicht kein Anlass, einen unbekannten "Mandanten" oder dem Gericht einen Gefallen zu erweisen und auf eigenes Haftungs- und Kostenrisiko tätig zu werden, selbst wenn es nur um die kurze Erklärung eines Rechtsmittelverzichts geht.

5. Onlinescheidungen seien schneller

Dieses Versprechen ist definitiv unwahr. Die Dauer eines Scheidungsverfahrens kann ein Rechtsanwalt kaum beeinflussen. Zwar kann der Anwalt sich beeilen und möglichst schnell einen Antrag auf Ehescheidung einreichen. Er ist jedoch abhängig von der Zuarbeit des Mandanten, der Arbeitsgeschwindigkeit des Gerichts und der übrigen beteiligten Stellen (z.B. Deutsche Rentenversicherung) sowie der Mitarbeit des anderen Ehegatten.

Für die vollständige Beschaffung der benötigten Informationen und Unterlagen ist zunächst der Mandant verantwortlich. Nach Einreichung des Scheidungsantrags bei Gericht hängt es im wesentlichen von dessen Arbeitsbelastung und der Arbeitsgeschwindigkeit des zuständigen Richters ab, wie schnell ein Scheidungstermin angesetzt werden kann. Im Versorgungsausgleichsverfahren hängt der Fortgang davon ab, wie schnell die Ehepartner für das Ausfüllen und Einreichen der notwendigen Formulare benötigen. Nicht selten muss der andere Ehepartner mit der Androhung oder Festsetzung von Zwangsgeld zur Einreichung der Erklärungen angehalten werden, was das Verfahren nicht unerheblich verzögern kann. Schließlich hängt die Dauer des Verfahrens davon ab, wie lange die Rentenversicherungsträger benötigen, um die Informationen über die Rentenanwartschaften zu erteilen. Insbesondere bei der Beteiligung ausländischer Versicherungsträger kann es zu erheblichen Verfahrensverzögerungen kommen und nicht immer sind Gerichte geneigt, das Versorgungsausgleichsverfahren abzutrennen, wenn es eine lange Zeit in Anspruch nimmt. Auf diese Umstände hat der Anwalt in der Regel wenig oder gar keinen Einfluss.

Ein Scheidungsverfahren dauert in der Regel vier bis zehn Monate bei einer einvernehmlichen Scheidung ohne Auslandsbezug. Die Beauftragung einer "Internetscheidung" hat auf die Dauer des Verfahrens keine Auswirkung.

Kann im Scheidungstermin nach Verkündung des Scheidungsbeschlusses kein Rechtsmittelverzicht erklären werden, weil der andere Ehegatte nicht anwaltlich vertreten ist, kann dies die Rechtskraft der Ehescheidung um viele Wochen verzögern. Die Scheidung wird in diesem Fall nämlich erst einen Monat nach Zustellung des Scheidungsbeschlusses rechtskräftig - sofern der andere Ehegatte nicht doch noch Rechtsmittel einlegt. Da der Scheidungsbeschluss erst noch geschrieben und an die Parteien zugestellt werden muss, kann die Verzögerung sechs Wochen oder länger betragen. Hierauf wird auf den Webseiten von "Online-Scheidungsanwälten", die gerade mit dem kostengünstigen Einsatz nur eines Anwalts werben, oftmals nicht hingewiesen.

Ihre Ansprechpartnerin:
Rechtsanwältin Gil Bánhegyi
Telefon: 0561 - 574 26 21
E-Mail: banhegyi@recht21.com

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