Gerichtsentscheidung: Unterhaltsrecht



§§ 1361, 1570, 1573, 1579 BGB, 620a, 620b ZPO

Selbst wenn die Fremdbetreuung eines 3-jährigen Kindes während der Arbeitszeiten der Mutter in vollem Umfang in kindeswohlverträglicher Weise sichergestellt werden kann, ist die Mutter dennoch nicht zur Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit verpflichtet.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main
3. Familiensenat
Beschluß vom 19.08.2008, 3 UF 124/08


In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt - Einzelrichter - auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 30.01.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts- Familiengericht - Darmstadt vom 23.12.2008 am 06.03.2009 beschlossen:

    Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 23.12.2008 aufgehoben.

    Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.940,00 EUR festgesetzt.


Gründe:

Die Antragstellerin begehrt die Zahlung von Ehegattenunterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung.

Die Parteien schlossen am 11.12.2004 die Ehe, aus welcher der am 12.1.2005 geborene Sohn X hervorgegangen ist. Am Tag vor der Eheschließung hatten die Parteien einen Ehevertrag geschlossen, auf dessen Inhalt, Bl. 6 - 12 der Hauptakte, Bezug genommen wird. Im Zeitpunkt der Eheschließung arbeiteten beide Parteien als Redakteure beim XY in B.-C. Erst nach der Eheschließung zog die Antragstellerin zum Antragsgegner in dessen Haus in D. Zuvor hatte sie in B.-L. gewohnt. Bereits im Frühjahr des Jahres 2005 zog die Antragstellerin mit dem Kind für zweieineinhalb Monate aus dem Haus des Antragsgegners aus und verhinderte während dieser Zeit jeglichen Kontakt des Antragsgegners zu dem Kind. Nach einer zwischenzeitlichen Versöhnung kam es spätestens am 1.10.2005 endgültig zur Trennung, in deren Rahmen die Antragstellerin mit dem Kind nach X-Stadt zog, um sich dem Einfluss des Antragsgegners zu entziehen.

Seit 12.1.2008 geht die Antragstellerin - wie laut Ehevertrag von vornherein beabsichtigt - wieder einer Beschäftigung als Redakteurin beim XY nach, allerdings nur noch in Teilzeit. Die Arbeitszeit betrug zunächst 20 Wochenstunden, verteilt auf vier Tage. Zum Monat März 2008 reduzierte die Antragstellerin die Wochenarbeitszeit auf eigenen Wunsch auf 15 Stunden, verteilt auf drei Tage. Dies hat sie im vorliegenden Verfahren damit begründet, dass entgegen der ursprünglichen Zusagen doch nicht die Möglichkeit bestand, einen Teil der Arbeitszeit in Heimarbeit zu leisten. Wegen des von der Antragstellerin erzielten Verdienstes wird auf den Arbeitsvertrag vom 28.2.2008, Bl. 148 - 151 der Hauptakte, und auf die vorgelegten Verdienstbescheinigungen, Bl. 245 - 252 der Hauptakte, Bezug genommen. Ihre Altersvorsorgeaufwendungen beziffert die Antragstellerin auf 40,38 Euro monatlich für die Pensionskasse des XY und auf 153,39 Euro monatlich für eine bereits im Ehevertrag erwähnte private Altersvorsorge. Ihren Arbeitsplatz erreicht sie wie schon vor der Eheschließung mit ihrem Privatfahrzeug.

Der Antragsgegner ist mittlerweile im Ruhestand. Die genaue Höhe des ihm zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig ist er aber jedenfalls zur Zahlung von Unterhalt bis zu der im Ehevertrag genannten Grenze von 2.000,- Euro in der Lage. In dieser Höhe zahlte er zunächst auch Trennungsunterhalt. Seit März 2008 zahlt er der Antragstellerin keinen Unterhalt mehr.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind und der Umgang zwischen Vater und Kind sind zwischen den Parteien streitig und Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist der Antragstellerin durch einstweilige Anordnung des Amtsgerichts D. übertragen worden. Das diesbezügliche, mittlerweile beim Amtsgericht X-Stadt anhängige Hauptsacheverfahren und ein im zweiten Rechtszug hier anhängiges Umgangsrechtsverfahren sind im Hinblick auf ein von den Parteien angestrengtes Mediationsverfahren ausgesetzt worden. Der Antragsgegner nimmt das Kind derzeit jedes zweite Wochenende von freitags bis sonntags und jeden Mittwochnachmittag zu sich. Er holt das Kind dann jeweils mittags aus dem Kindergarten in X-Stadt ab. Dort steht dem Kind ein Ganztagesplatz von 7:30 Uhr bis 16:00 Uhr zur Verfügung. Die Kosten des Kindergartens in Höhe von 290,- Euro monatlich zuzüglich 55,- Euro Verpflegungspauschale trägt die Antragstellerin.

Die Ehe der Parteien ist durch Urteil des Amtsgerichts vom 28.3.2008 geschieden worden. Das Urteil ist hinsichtlich des Ausspruchs zur Scheidung seit 8.7.2008 rechtskräftig. Ein Antrag der Antragstellerin auf Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts ist im Verbundurteil mit der Begründung zurückgewiesen worden, die Antragstellerin sei trotz der Betreuung des am 12.1.2005 geborenen Sohnes der Parteien zur Ausübung einer Vollzeittätigkeit und damit auch zur Deckung ihres Bedarfs in der Lage.

Einen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren mit Schriftsatz vom 11.3.2008 vor dem Amtsgericht gestellten Antrag auf Erlass einer gegen den Antragsgegner gerichteten einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Ehegattenunterhalt hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 28.3.2008 ohne erneute mündliche Verhandlung ebenfalls zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat gegen das Urteil vom 28.3.2008 form- und fristgerecht am 30.4.2008 Berufung eingelegt. Diese richtet sich, wie sich aus der am 30.5.2008 hier eingegangenen Berufungsbegründung ergibt, ausschließlich gegen die Zurückweisung des Antrags auf Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts. Mit ihrer Berufung begehrt sie einen monatlichen Elementarunterhalt von 1.544,- Euro sowie einen monatlichen Altersvorsorgeunterhalt von 412,- Euro.

Im Rahmen ihrer Berufung hat die Antragstellerin am 30.4.2008 außerdem erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Elementarunterhalt ab April 2008 beantragt. Sie ist der Ansicht, sie treffe wegen des Alters des Kindes, der erforderlichen Eingewöhnung im Kindergarten und des für das Kind ohnehin belastenden Konflikts der Eltern keine Obliegenheit zu einer umfangreicheren als der ausgeübten Beschäftigung.

Nachdem sie im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens zunächst die Zahlung monatlichen Elementarunterhalts von 1.449,- Euro gefordert hat, beantragt sie nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin zur mündlichen Verhandlung nunmehr,

    dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, an sie einen monatlich im Voraus zahlbaren und zum dritten Werktag eines jeden Monats fälligen Elementarunterhalt in Höhe von 984,- Euro ab April 2008 zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
    den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Antrag sei mangels Zuständigkeit des Berufungsgerichts unzulässig. Im Übrigen sei er unbegründet. Der Antragstellerin sei eine Vollzeitbeschäftigung zuzumuten, mit der sie ihren Bedarf decken könne. Zum Einen sei die Betreuung des Kindes durch den Kindergarten sichergestellt. Zum Anderen stehe der Antragsgegner jederzeit für die Betreuung des Kindes zur Verfügung. Er hole das Kind mittwochs und jeden zweiten Freitag ohnehin bereits mittags aus dem Kindergarten ab. Dies könne er gerne auch öfter tun und sei auch bereit, dafür Wochenendtermine zu tauschen. Dadurch könne einer zu langen Verweilzeit des Kindes im Kindergarten begegnet werden. Schließlich wendet der Antragsgegner die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs ein. Auf Grund der kurzen Ehedauer und des nur halbjährigen Zusammenlebens sei es nicht zu einer wirtschaftlichen Verflechtung der Parteien gekommen. Die Antragstellerin habe außerdem die bevorstehende Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in der vor dem Amtsgericht eingereichten Antragsschrift vom 30.8.2007 zunächst verschwiegen. Erst auf Vorhalt habe sie in einer Anhörung am 6.9.2007 die bevorstehende Arbeitsaufnahme eingeräumt und ihren Antrag erst mit Schriftsatz vom 3.3.2008 teilweise zurückgenommen.

Der Antrag ist zulässig.

Zwar ist der Antrag wegen der im ersten Rechtszug bereits ergangenen Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 11.3.2008 als erneuter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig. Da das Amtsgericht jedoch nicht mündlich über den Antrag verhandelt hat, ist der Antrag als gemäß § 620b Abs. 2 ZPO zulässiger Antrag auf mündliche Verhandlung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Ehegattenunterhalt auszulegen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung umfasst dabei zulässigerweise sowohl Trennungsunterhalt als auch nachehelichen Ehegattenunterhalt (Zöller, ZPO, Kommentar, § 620 ZPO, Randnummer 58, § 620b ZPO, Randnummer 6).

Für die mündliche Verhandlung und erneute Entscheidung ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht das Amtsgericht, sondern gemäß § 620b Abs. 3, 620a Abs. 4 Satz 2 ZPO das Rechtsmittelgericht zuständig, nachdem sich die Berufung ausweislich ihrer Begründung gegen den Ausspruch zur Folgesache nachehelicher Unterhalt im Verbundurteil richtet. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob das Amtsgericht bis zur Konkretisierung der gegen das Verbundurteil eingelegten Berufung durch die Berufungsbegründung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung im einstweiligen Anordnungsverfahren zuständig geblieben wäre (vgl. zur Problematik Zöller, § 620a, Rdnr. 11). Jedenfalls mit der Erklärung, dass die Entscheidung zum nachehelichen Ehegattenunterhalt angefochten wird, ist die Zuständigkeit nämlich eindeutig auf den Senat übergegangen.

Der Antrag ist auch begründet.

Die Antragstellerin hat gemäß §§ 1361, 1570 Abs. 1 und 2, 1573 Abs. 2 Anspruch auf die Zahlung von Trennungsunterhalt bzw. nachehelichem Ehegattenunterhalt als Betreuungsunterhalt im begehrten Umfang.

Nach § 1570 Abs. 1 BGB verlängert sich der Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

Daneben kommt gemäß § 1570 Abs. 2 BGB eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs des betreuenden Elternteils über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus auch dann in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht. Bei der Prüfung des Vorliegens solcher elternbezogener Gründe für eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs ist zu beachten, ob der dem betreuenden Elternteil verbleibende Anteil an der Betreuung und Erziehung des Kindes in Verbindung mit einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen würde. Insbesondere kleinere Kinder benötigen nach einer Ganztagsbetreuung noch in stärkerem Umfang den persönlichen Zuspruch der Eltern, was einen nicht unerheblichen zusätzlichen Betreuungsaufwand erfordern kann. In solchen Fällen ist eine Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang und bis zu welchem Zeitpunkt die Erwerbspflicht des unterhaltsberechtigten Elternteils noch eingeschränkt ist. Insoweit sind auch Pauschalierungen zulässig. In welchem Umfang die verbleibende Kinderbetreuung neben einer Erwerbstätigkeit als überobligationsmäßig zu bewerten ist, hängt allerdings auch von der früheren Lebensplanung und -gestaltung ab, also davon, ob der Unterhaltsberechtigte auf eine derartige Aufgabenverteilung vertrauen durfte (BGH, Urteil vom 16.7.2008, XII ZR 109/05).

Die Unterhaltsgrundsätze des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main enthalten eine Pauschalierung im oben genannten Sinne insoweit, als dort unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung der Neufassung des § 1570 BGB ausgeführt wird, vom betreuenden Elternteil könne bis zur Beendigung der Grundschulzeit des Kindes in der Regel nicht die Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit erwartet werden (Ziffer 17.1 der Unterhaltsgrundsätze, veröffentlich unter www.hefam.de).

Die genannten Erwägungen gelten für den Anspruch auf Trennungsunterhalt bis zur Rechtskraft der Ehescheidung entsprechend.

Eine Obliegenheit der Antragstellerin zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit neben der Betreuung des dreijährigen Kindes der Parteien besteht nach den vorgenannten Maßstäben derzeit nicht.

Es erscheint schon zweifelhaft, ob es dem Wohl des gerade dreijährigen Kindes entspricht, dieses täglich von 7:30 Uhr bis 16:00 Uhr in eine Fremdbetreuung zu geben. Jedenfalls würden auch eine tägliche Betreuung des Kindes im Kindergarten von 7:30 Uhr bis 16:00 Uhr und eine Betreuung durch den Antragsgegner mittwochs nachmittags und jeden zweiten Freitagnachmittag die Antragstellerin nicht in die Lage versetzen, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Ihr bliebe dann nämlich keine Zeit mehr für den Weg zwischen Arbeitsplatz und Kindergarten und für die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen. Die Antragstellerin müsste im Übrigen darauf verwiesen werden, die in einem Haushalt mit einem dreijährigen Kind zu erledigenden umfangreichen Besorgungen und Verrichtungen in erheblichem Umfang gemeinsam mit dem Kind zu erledigen. Es bliebe außer den Nächten und jedem zweiten Wochenende nur wenig Zeit, die Mutter und Kind gemeinsam im häuslichen Umfeld verbringen könnten. Dies erscheint auch dem Kind nicht zumutbar.

Selbst wenn die Fremdbetreuung des Kindes während der Arbeitszeiten der Mutter in vollem Umfang in kindeswohlverträglicher Weise sichergestellt werden könnte, wäre die Mutter dennoch nicht zur Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit verpflichtet. Wegen des Umfangs der von ihr trotz der Ganztagsbetreuung im Kindergarten noch zu erbringenden Betreuungsleistungen für das erst dreijährige Kind würde die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung zu einer unzumutbaren Belastung der Mutter führen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien während ihres kurzen Zusammenlebens. Dem Ehevertrag lässt sich entnehmen, dass die Parteien bei Eheschließung davon ausgingen, dass das Kind im Kleinkindalter hauptsächlich von der Antragstellerin betreut und versorgt wird. Diese hat im Ehevertrag zwar bekundet, ihre bisherige Tätigkeit nach dem ersten Lebensjahr des Kindes wieder aufnehmen zu wollen. Daraus lässt sich jedoch keine Verpflichtung zur Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit ableiten. Vielmehr heißt es in der Präambel des Ehevertrags ausdrücklich, die Antragstellerin wolle ihre berufliche Tätigkeit in Teilzeit oder ganztags ausüben. Es ist offensichtlich, dass sich die diesbezügliche Entscheidung an den Belangen des Kindes und der Mutter orientieren sollte.

Der Annahme einer mit einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verbundenen überobligationsmäßigen Belastung der Antragstellerin steht dabei auch nicht das Angebot des Antragsgegners entgegen, die Kinderbetreuung an Werktagen zu übernehmen. Der Aufenthalt des Kindes bei der Mutter und der Umfang des Umgangs des Kindes mit seinem Vater sind zwischen beiden Parteien heftig umstritten. Sie befinden sich diesbezüglich in einem Mediationsverfahren. Es wäre mit dem Kindeswohl nicht vereinbar, wenn hier durch eine Unterhaltsregelung wirtschaftliche Zwänge begründet würden, welche den Parteien keinen Spielraum mehr für eine dem Kindeswohl entsprechende Regelung der elterlichen Sorge und des Umgangs ließen. Entsprechende Regelungen sind den hierfür vorgesehenen Verfahren mit den gegenüber dem zivilprozessualen Verfahren erweiterten Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung vorzubehalten. Der Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist die gegebene Betreuungssituation zu Grunde zu legen.

Vor diesem Hintergrund erachtet der Senat Im Hinblick auf die Betreuungszeiten im Kindergarten und beim Antragsgegner, das Alter des Kindes und den wegen der konfliktbeladenen Trennungssituation erhöhten Betreuungsbedarf des Kindes eine Arbeitszeit der Antragstellerin von bis zu fünf Stunden täglich als zumutbar. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Antragstellerin ein Aufsuchen ihres Arbeitsplatzes nur an drei Tagen pro Woche zumutbar sein sollte. Bei einer täglichen Arbeitszeit von fünf Stunden kann sie das Kind problemlos bis 14:30 Uhr aus dem Kindergarten abholen. Der verbleibende Nachmittag steht dann für die häusliche Betreuung oder für Aktivitäten außerhalb des Kindergartens zur Verfügung. Für Besorgungen und Verrichtungen wie Einkaufen, Waschen der Wäsche und Putzen der Wohnung stehen der Antragstellerin insbesondere die Mittwochnachmittage und jeder zweite Freitagnachmittag samt des sich anschließenden Wochenendes zur Verfügung.

Da die derzeit gewählte Vertragsgestaltung mit ihrem Arbeitgeber den Wünschen der Antragstellerin entspricht, muss auch davon ausgegangen werden, dass sie ihre Wochenarbeitszeit problemlos auf 25 Stunden aufstocken könnte.

Rechnet man das von der Antragstellerin bezogene Gehalt auf 25 Wochenstunden hoch, ergibt sich ein Bruttomonatslohn von 3.199,73 Euro. Hierauf sind nach Steuerklasse 2 bei einem halben Kinderfreibetrag und bei einem Arbeitnehmerbeitrag zur Krankenversicherung von 8,15 Prozent 576,66 Euro Lohnsteuer, 27,35 Euro Solidarzuschlag, 44,76 Euro Kirchensteuer, 283,13 Euro Krankenversicherung, 318,37 Euro Rentenversicherung, 52,80 Euro Arbeitslosenversicherung und 27,20 Euro Pflegeversicherung zu entrichten. Das verbleibende gesetzliche Nettoeinkommen beläuft sich dann auf 1.869,46 Euro.

Dieses ist zu bereinigen um die von der Antragstellerin geltend gemachten angemessenen Aufwendungen für die private und betriebliche Altersvorsorge in Höhe von insgesamt 193,77 Euro. Diese überschreiten zwar den im Regelfall als angemessen erachteten Betrag von vier Prozent des Bruttoeinkommens. Den Regelungen in der Präambel und in § 1 des Ehevertrags lässt sich jedoch entnehmen, dass die Parteien die bereits damals in gleicher Höhe getätigten Aufwendungen für die private Altersvorsorge als angemessen betrachteten. Hieran müssen sie sich festhalten lassen.

Des Weiteren sind die der Antragstellerin entstehenden Fahrtkosten als berufsbedingte Aufwendungen abzusetzen. Es ist allerdings nicht ersichtlich, weshalb die Antragstellerin hier berechtigt sein sollte, dem Antragsgegner die Kosten für die Wegstrecke zwischen X-Stadt und B. entgegen zu halten. Die Parteien lebten bis zur Trennung in D., vor der Eheschließung lebte die Antragstellerin in B.-L.. Wie sich aus dem Ehevertrag ergibt, stand für die Parteien bereits im Zeitpunkt der Eheschließung fest, dass die Antragstellerin nach der Babypause wieder ihre Beschäftigung beim XY in B. aufnimmt, was sie nun auch getan hat. Die Antragstellerin hatte im Zeitpunkt der Trennung auch keine persönlichen oder verwandtschaftlichen Bindungen nach X-Stadt. Auch das dortige Betreuungsangebot rechtfertigt den Umzug dorthin nicht. In B. und D. gibt es ausreichende ganztägige Betreuungsangebote. Der Wunsch der Antragstellerin, sich dem Einflussbereich des Antragsgegners zu entziehen, taugt in Anbetracht der Größe der Städte B. und D. ebenfalls nicht als Begründung für den Umzug nach X-Stadt.

Für die Notwendigkeit der geltend gemachten Fahrtkosten ist damit kein erkennbarer sachlicher Grund gegeben. Sie sind lediglich in Höhe der Fahrtkosten zu berücksichtigen, die bei einem Verbleib in D. angefallen wären. Die Entfernung zwischen D. und dem B.er C beträgt etwa 20km. Zu berücksichtigen sind daher gemäß Ziffer 10.2.2 der Unterhaltsgrundsätze des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Fahrtkosten von 220 x 2 x 0,3 : 12 = 220,- Euro monatlich.

Ferner sind die von der Antragsgegnerin getragenen Kindergartenkosten in Abzug zu bringen, soweit sie nicht von dem vom Antragsgegner gezahlten Tabellenkindesunterhalt abgedeckt sind. Dieser beinhaltet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Kosten für die Verpflegung im Kindergarten sowie einen monatlichen Kindergartenbeitrag von bis zu 50,- Euro (BGH, FamRZ 2008, 1152). Dass es sich bei dem darüber hinaus gehenden Bedarf nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs ebenfalls um Bedarf des Kindes handelt, spielt für die Berechnung des geschuldeten Ehegattenunterhalts keine Rolle. Der Bedarf ist bei der Ermittlung der bereinigten Nettoeinkommen beider Ehegatten selbstverständlich bei dem Ehegatten in Abzug zu bringen, der ihn deckt. Das ist hier die Antragstellerin. Zieht man die Verpflegungspauschale von 55,- Euro und den im Tabellenkindesunterhalt enthaltenen Betrag von 50,- Euro von den Kindergartenkosten von 345,- Euro ab, verbleibt ein von der Antragstellerin gedeckter Bedarf von 240,- Euro.

Nach Abzug der genannten Posten beläuft sich ihr bereinigtes monatliches Nettoeinkommen auf 1.215,69 Euro. Ihr ungedeckter Bedarf bis zur sogenannten relativen Sättigungsgrenze von 2.200,- Euro, welche die Antragstellerin selbst als Bedarf veranschlagt, beläuft sich demnach mindestens auf den beantragten Betrag von 984,- Euro. In dieser Höhe ist der Antragsgegner ohne Weiteres leistungsfähig und gemäß der Vereinbarungen im Ehevertrag auch zur Leistung verpflichtet.

Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin ist auch nicht nach § 1579 Nr. 1 BGB verwirkt wegen der kurzen Ehedauer. Bei der Bemessung der Ehedauer ist nämlich die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Unterhaltsberechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 BGB Unterhalt verlangen kann. Daraus ergibt sich, dass die Annahme einer Verwirkung jedenfalls solange ausgeschlossen ist, wie der Unterhaltsberechtigte wie hier in Folge der Betreuung oder Erziehung des Kindes an der Deckung seines vollen Unterhaltsbedarfs durch eigene Erwerbstätigkeit gehindert ist.

Insoweit kann sich der Antragsgegner auch nicht auf eine fehlende wirtschaftliche Verflechtung der Parteien berufen. Die Verflechtung ergibt sich aus der Geburt des gemeinsamen Kindes. Die sich hieraus für die Antragstellerin ergebenden ehebedingten Nachteile dauern fort. Dass die Geburt des Kindes auch zu einer wirtschaftlichen Verflechtung der Parteien geführt hat, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Antragsgegner bis Februar 2008 Trennungsunterhalt gezahlt hat.

Der Unterhaltsanspruch ist auch nicht nach § 1579 Nr. 3 oder 5 BGB wegen des Verschweigens von Einkünften durch die Antragstellerin verwirkt. Sowohl dem Antragsgegner als auch dem Gericht war die Arbeitsaufnahme der Antragstellerin bereits vor deren Beginn bekannt.

Die vorübergehende Entziehung des gemeinsamen Sohnes während des ersten Trennungsversuchs führt ebenfalls nicht zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, nachdem die Parteien anschließend wieder zusammen gelebt und damit zu erkennen gegeben haben, wieder füreinander einstehen zu wollen.

Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs im einstweiligen Anordnungsverfahren ist nicht geboten, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich am Umfang der Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens etwas ändert. Sollte es Änderungen in der Betreuungssituation des Kindes geben, wären diese gegebenenfalls im Rahmen eines Antrags auf Abänderung der ergangenen einstweiligen Anordnung nach § 620b Abs. 1 ZPO geltend zu machen.

Die Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens sind gemäß § 620g ZPO Teil der Kosten der Hauptsache.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 1. Der Streitwert ergibt sich aus dem Sechsfachen des zunächst geforderten monatlichen Unterhalts.


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