BGB §§ 254, 278, 280, 665, 667

Fehlgeschlagene Überweisung mit Money Transfer Service


Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Urteil vom 20.03.2006, 23 U 274/05


Urteil

In dem Rechtsstreit

A.

gegen

1. W. GmbH,
2. P. AG,

hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. - 23. Zivilsenat - durch Richterin am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2006 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. (Az.: 2-21 I 410/04) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.280,- festgesetzt.



Gründe:



I. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO:

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche aus einem fehlgeschlagenen Geldtransfer geltend. Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Der Sohn des Klägers hatte bereits am 25.8.2003 gegen 15.00 Uhr, also vor Abhebung der Beträge, eine Filiale der Postbank in Berlin aufgesucht und erklärt, ein Dritter kenne sowohl seine Adresse als auch die zwölfstellige Geldtransfernummer. Die diensthabende Mitarbeiterin der Beklagten zu 2) erklärte ihm, eine Auszahlung erfolge nicht ohne Vorlage des Personalausweises, das Geld sei dort sicher.

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen und zu den Gesprächen bei Vertragsabschluß die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte zu 2) sei mangels Vertragsschlusses mit ihr nicht passivlegitimiert. Die Beklagte habe den Vertrag mit dem Kläger ordnungsgemäß ausgeführt. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 2), die Zeugen und hätten als Vertreter der Beklagten zu 1) deren Hinweis- und Aufklärungspflichten nicht verletzt. Nach ihren Aussagen sei bewiesen, daß der Kläger ihnen die Einzelheiten des geplanten Pkw-Kaufs, insbesondere dessen Anbahnung über das Internet nicht mitgeteilt habe. Der Kläger habe gegen seine Mitwirkungs- und Sorgfaltspflichten verstoßen, indem er die auszahlungsrelevanten Daten an Dritte weitergegeben habe. Die Beklagte zu 1) habe auch dargelegt, daß sie die Auszahlungsaufträge ordnungsgemäß abgewickelt habe, da sie an denjenigen gezahlt habe, den sie nach sorgfältiger Prüfung seines Ausweises als empfangsberechtigt angesehen habe. Das gesamte Fälschungsrisiko habe die Beklagte zu 1) erkennbar nicht übernehmen wollen.

Der Kläger verfolgt mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und ebenso begründeten Berufung sein Klagebegehren weiter. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Ansicht, für ihn sei nicht erkennbar gewesen, daß die Beklagte zu 2) nur als Vertreterin der Beklagten zu 1) tätig gewesen sei. Die Beklagte zu 1) habe den ihr erteilten Auftrag nicht erfüllt, da sie an Dritte ausgezahlt habe. Beide Beklagten hätten ihn über die ihnen bekannten erheblichen Betrugsrisiken aufklären müssen. Dies werde dadurch bestätigt, daß die Beklagte zu 1) in der Folgezeit ihre Vertragsformulare nebst Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend abgeändert habe. Auch die Mitarbeiterin der Beklagten in Berlin habe darauf hinweisen müssen, daß eine Abhebung mit einem gefälschten Ausweispapier möglich sei. In diesem Fall hätte er das Geld sofort abgeholt. Im übrigen habe er eine ordnungsgemäß Kontrolle der vorgelegten Ausweispapiere bereits erstinstanzlich bestritten.


Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 16.9.2005 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 8.280,- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 9.12.2004 zu zahlen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.


Die Beklagten beantragen,

    die Berufung zurückzuweisen sowie

    die Revision nicht zuzulassen.


Sie berufen sich auf die Entscheidung des Landgerichts. Sie vertreten die Ansicht, Ziffer 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) gewähre dieser die Möglichkeit zur wirksamen Leistung auch an einen Nichtberechtigten, wenn sie diesen nach sorgfältiger Prüfung eines Identifikationspapiers als empfangsberechtigt ansehen dürfe. Sie bestreiten nunmehr den Vortrag des Klägers, sein Sohn habe bereits am 25.8.2003 gegen 15 Uhr eine Postfiliale in Berlin aufgesucht. Im übrigen beziehen sich die Beklagten auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der Zeuginnen X und Y. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Schreiben der Zeugin X vom 20.2.2006 (Blatt 282 der Akte) und der Zeugin Y vom 3.3.2006 (Blatt 289 f. der Akte) Bezug genommen.


II. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage ist nicht begründet. Die Beklagte zu 2) ist nicht passivlegitimiert. Sie ist nicht Vertragspartnerin des Klägers geworden, sondern allein als Vertreterin der Beklagten zu 1) aufgetreten. Insoweit wird auf die zutreffende Begründung des Landgerichts Bezug genommen. Spätere Abwandlungen der Formulare, welche deutlicher auf die Rechtsverhältnisse hinweisen, ändern an der bereits auf der Grundlage des bei Vertragsschluß verwendeten Formulars vorzunehmenden Würdigung nichts.

Auch die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf Herausgabe der ihr zur Ausführung des Geschäftsbesorgungsvertrages überlassenen 8.280,- € zu (§§ 675, 667 BGB).

Zwischen den Parteien ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag zustandegekommen. Die Beklagte zu 1) hat den ihr erteilten Auftrag grundsätzlich nicht erfüllt, da sie die Geldbeträge von 6.000,- € und 2.000,- € nicht an die Berechtigten, sondern an Dritte ausgezahlt hat. Hiervon ist auszugehen. Zwar behauptet die Beklagte zu 1), die betreffenden Personen seien die Berechtigten gewesen. Im Hinblick auf die bei den Auszahlungen vorgelegten angeblich in Israel und in England ausgestellten Ausweispapiere und die in der Folgezeit ergebnislos durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen besteht aber keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß die - vorsorglich aufgestellte - Behauptung der Beklagten zu 1) tatsächlich zutrifft und der Kläger oder seine Söhne die unbekannten Dritten erfunden und in Wirklichkeit das Geld selbst abgehoben hätten. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) erlauben der Beklagten zu 1) nicht, die Zahlungen auch an denjenigen zu leisten, den sie nach sorgfältiger Prüfung seines Ausweises als empfangsberechtigt ansehe. Vielmehr muß die Zahlung an den wirklich Berechtigten erfolgen (anders in dem von dem BGH, NJW 1995, 2483 ff., zu entscheidenden Fall). Die Beklagte zu 1) trägt danach grundsätzlich das Fälschungsrisiko (BGH, NJW 1995, 2483, 2484; so auch bei Mißbrauch einer ec-Karte, vgl. hierzu BGHZ 145, 337, 339 f.; Hofmann, WM 2005, 441, 442 f.; oder z.B. Verwendung einer Kreditkarte ohne Unterzeichnung eines Belastungsbelegs, vgl. LG Karlsruhe, NJW-RR 2001, 770 f.; oder bei mißbräuchlicher Verwendung BGHZ 114, 244 f.). Sie hat es nicht durch die Vertragsgestaltung auf den Kunden übertragen.

Der Beklagten zu 1) steht aber gegen den Kläger ein Anspruch auf Schadenersatz wegen schuldhafter Verletzung der ihm obliegenden vertraglichen Nebenpflichten zu (§ 280 Abs. 1 BGB). Er hat die relevanten Daten, nämlich die Namen der Empfänger des Geldes, seinen eigenen Namen als Absender und die Höhe der beiden Beträge entgegen seiner Mitwirkungs- und Sorgfaltspflicht gemäß Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) dem ihm unbekannten Dritten und angeblichen Verkäufer des Pkw mitgeteilt und dadurch die Abholung des Geldes durch diesen erst ermöglicht. Seinem Vortrag ist zu entnehmen, daß er diesem auch die Geldtransfernummer mitgeteilt hat, da das sein Sohn am 25.8.2003 in der Postbankfiliale in Berlin geäußert habe. Der Kläger hat diesen Vortrag der Beklagten nicht substantiiert bestritten. Darlegungspflichtig für eine Pflichtverletzung des Klägers ist grundsätzlich die Beklagte zu 1). Dieser Darlegungslast ist sie durch ihren Vortrag nachgekommen, da eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß die unbekannten Dritten, die Kenntnis von den Daten hatten, diese von dem Kläger erhalten haben. Es wäre nun Sache des Klägers, hierzu seinerseits substantiiert vorzutragen, da sich die maßgebenden Umstände in seiner Sphäre ereignet haben. Er hat sich jedoch weder dazu geäußert, ob er die Daten weitergegeben hat, noch hat er zu dem Vortrag der Beklagten Stellung genommen, er habe noch am Tage des Vertragsschlusses ein Fax an die angeblichen Verkäufer des Fahrzeugs gesandt, und den Inhalt dieses Faxes mitgeteilt.

Hingegen trifft die Beklagte zu 1) ihrerseits kein Mitverschulden (entsprechend § 254 Abs. 1 BGB). Keine Pflichtverletzung der Mitarbeiter der Beklagten zu 2) und deren Verschulden der Beklagten zu 1) zuzurechnen wäre (§ 278 BGB), lag im Vorfeld des Vertragsschlusses darin, daß sie den Kläger nicht auf die besonderen Risiken hingewiesen haben, die in der Möglichkeit der Entgegennahme der Geldbeträge mittels gefälschter Ausweispapiere oder außerhalb Berlins lagen. Eine Pflicht, allgemein auf die Gefahr eines Betruges hinzuweisen, bestand für sie ohne konkreten Anlaß nicht. Die Möglichkeit einer Fälschung von Ausweispapieren ist grundsätzlich allgemein bekannt. Daß eine solche konkrete Konstellation für einen Kunden hier möglicherweise nicht sogleich zu vermuten war und sie der Beklagten zu 1) hingegen aus ihrer Tätigkeit bereits bekannt geworden sein konnte, begründete für sie noch keine allgemeine Belehrungspflicht über derartige Risiken. Dies konnte nur dann anders sein, wenn ihren Mitarbeitern bekannt- wurde, daß eine vergleichbare Vertragsabwicklung geplant war. Hiernach fragen mußten sie gleichfalls nicht. Sie war im Rahmen der Vertragsbeziehungen verpflichtet, die berechtigten Interessen ihres Kunden zu berücksichtigen und ihn wenn möglich vor Schäden zu bewahren. Dies geht aber nicht so weit, ihr Aufgaben einer allgemeinen Gefahrenabwehr aufzuerlegen. Die von dem Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, daß der Kläger bei Vertragsabschluß zwar von einem geplanten Autokauf berichtete, nicht aber, daß dieser über das Internet angebahnt worden war. Auch sonstige Verdachtsumstände ergaben sich aus den nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seinerzeit erfolgten Mitteilungen nicht. Auch der Umstand, daß die Geldbeträge in jeder Postfiliale der Bundesrepublik abgeholt werden konnten, begründete kein besonderes Gefahrenpotential, aus das die Mitarbeiter hätten hinweisen müssen. Derin auch nach dem Vortrag des Klägers sollte eine Abhebung in jeder Postfiliale in Berlin möglich sein. Dies war für ihn und seine Söhne in vergleichbarer Weise nicht kontrollierbar. Ein besonderer Schutz des Kunden kann hierdurch auch nicht geschaffen werden.

Entsprechendes gilt für die Nachfrage des Sohnes des Klägers am 25.8.2003 gegen 15 Uhr bei einer Postfiliale in Berlin, so daß dahinstehen kann, ob die Beklagten diese Behauptung noch in zweiter Instanz bestreiten können und ob sie der Wahrheit entspricht. Auch zu diesem Zeitpunkt war für die - nicht namentlich benannte Mitarbeiterin - kein besonderes Risiko ersichtlich, das zu weiteren Warnungen hätte veranlassen müssen. Allein die Mitteilung, ein Dritter keime die Transfernummer und die Adresse, begründete ein hinreichend erkennbares Risiko noch nicht.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, daß die Beklagte zu 1) in der Folgezeit Änderungen an ihren Formularen vorgenommen hat. Daß sie nun zusätzlich allgemein vor bestehenden Risiken warnt, bedeutet nicht, daß sie dies tun müsse oder seinerzeit bereits hätte tun müssen.

Die Beklagte zu 1) trifft auch kein Mitverschulden dergestalt, daß die Mitarbeiter der Beklagten zu 2) bei der jeweiligen Abholung der Geldbeträge die Identität der Abholenden nicht hinreichend sorgfältig überprüft hätten (entsprechend § 254 Abs. 1, § 278 BGB). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht mit hinreichender Sicherheit fest, daß die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2) und die ihnen vorgelegten Ausweispapiere ordnungsgemäß überprüft haben. Zwar konnte die Zeugin sich an den konkreten Fall nicht erinnern; sie hat aber im einzelnen dargelegt, auf welche Merkmale hin sie ein Ausweispapier jeweils überprüft. Bei der als aufgetretenen Person hat sie die Nummer des Reisepasses, deren Ausstellungsdatum und -ort vermerkt und eine Fotokopie des Passes gefertigt. Daß das Erscheinungsbild dieses Passes von dem tatsächlichen Erscheinungsbild eines israelischen. Reisepasses abwiche, ist nicht ersichtlich und wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen.

Demzufolge bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß die Zeugin die Überprüfung nicht hinreichend sorgfältig vorgenommen hatte. Entsprechendes gilt für die Aussage der Zeugin . Die Zeugin konnte sich an den konkreten Fall erinnern und hat angegeben, sie habe, wie sie dies immer mache, das Erscheinungsbild des Ausweises, dessen Gültigkeit sowie Ausstellungsort, -zeit und ausstellende Behörde sowie das Vorliegen der Unterschrift überprüft. Notiert hat sie die Nummer sowie Ausstellungsdatum und -ort des Ausweises. Auch in diesem Fall bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für eine unsorgfältige Überprüfung.

Damit besteht trotz des im konkreten Fall als wenig vorwerfbar zu bewertenden Verhaltens des Klägers, der sich von vermutlich geschickten Betrügern zur Bekanntgabe der relevanten Daten hatte verleiten lassen, keine Veranlassung für eine Mithaftung der Beklagten zu 1) für den eingetretenen Schaden. Die Berufung war mithin insgesamt zurückzuweisen.

Der Kläger hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).


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