§§ 102, 94 StPO, Art. 13 GG

Rechtswidriger Durchsuchungsbeschluß

Landgericht Koblenz
Beschluß vom 29.10.2004 – 10 Qs 107/04


In der Strafsache

gegen: Herrn A.

Verteidiger: Rechtsanwalt Frank Löwenstein, Altenritter Str. 9, 34225 Baunatal

wegen: Verletzung der Unterhaltspflicht u.a.

hat die 10. Strafkammer des Landgerichts Koblenz am 29.10.2004 beschlossen:


    I. Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 05. November 2003 wird festgestellt, daß der Beschluß des Amtsgerichts Montabaur vom 14. Oktober 2003 - 12 Gs 428/03 - gegen § 102 StPO verstößt.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.

    II. Die Untätigkeitsbeschwerde vom 25. August 2004 ist erledigt.

Gründe:

I.


In dem Verfahren 2020 Js 52099/03, das später zu dem vorliegenden Verfahren 2020 Js 66410/03 verbunden wurde, ermittelte die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Unterhaltspflichtverletzung zum Nachteil seiner getrennt lebenden Ehefrau und seines Kindes. Auf Antrag der Staatanwaltschaft ordnete das Amtsgericht Montabaur am 14. Oktober 2003 die Durchsuchung der Wohnung und anderer Räumlichkeiten des Beschuldigten in F. an. Zur Begründung führt das Gericht in diesem Beschluß aus:

    "Aufgrund der bisherigen Ermittlungen ist der Beschuldigte verdächtig, seit 15.06.2003 seine Unterhaltspflicht gegenüber seinem Kind D. sowie seiner Ehefrau zu verletzen.

    Sollte dies zutreffen, hat sich der Beschuldigte

    wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB)

    zu verantworten.

    Die Durchsuchung ist geboten, da zu vermuten ist, daß sie zur Auffindung von Beweismitteln führen wird, insbesondere solchen über die beruflichen und finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten.

    Die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, wird angeordnet (§ 98, 102 StPO)."

Bei der am 28. Oktober 2003 ausgeführten Durchsuchung wurden mehrere vom Beschuldigten ausgestellte Rechnungen sichergestellt. Mit Schriftsatz vom 05. November 2003 legte der Beschuldigte durch seinen Verteidiger gegen den Durchsuchungsbeschluß Beschwerde ein, mit der er geltend macht, dieser Beschluß entspreche nicht den verfassungsmäßigen Anforderungen. Mit weiteren Verteidigerschriftsätzen vom 08. November 2003 stellte der Beschuldigte Antrag auf gerichtliche Entscheidung analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO und beantragte insoweit festzustellen, daß die Art und Weise der Durchsuchung rechtswidrig war sowie die Beschlagnahmeanordnung aufzuheben und für rechtswidrig zu erklären. Mit Beschluß vom 19. November 2003 bestätigte das Amtsgericht die Beschlagnahme der bei der Durchsuchung sichergestellten Rechnungen. Außerdem stellte das Gericht in diesem Beschluß die Rechtmäßigkeit der Art und Weise der Durchsuchung der am 28. Oktober 2003 durchgeführten Wohnungsdurchsuchung fest. Bezüglich der Beschwerde vom 05. November 2003 gegen die Durchsuchungsanordnung vom 14. Oktober 2003 traf das Amtsgericht keine Abhilfeentscheidung. Auch wurden die Akten in der Folgezeit zunächst nicht dem Beschwerdegericht vorgelegt. Mit Verteidigerschriftsatz vom 25. August 2004 legte der Beschuldigte - in Zusammenhang mit einem Befangenheitsantrag - gegen das Unterlassen der Abhilfeentscheidung und die Nichtvorlage an das Beschwerdegericht Untätigkeitsbeschwerde ein. Mit Verfügung vom 14. Oktober 2004 half das Amtsgericht der Beschwerde vom 05. November 2003 nicht ab und legte die Sache über die Staatsanwaltschaft der Kammer als Beschwerdegericht vor.


II.

1. Die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung vom 14. Oktober 2003 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Auf die Beschwerde des Beschuldigten war festzustellen, daß der Beschluß vom 14. Oktober 2003 gegen § 102 StPo verstößt und damit rechtswidrig war.

Bei einer Durchsuchungsanordnung nach § 102 StPO ist der Richter als Kontrollorgan der Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, durch geeignete Formulierungen des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, daß der Eingriff in die Grundrechte meßbar und kontrollierbar bleibt. Der Schutz der Privatsphäre des Betroffenen darf nicht allein den Beamten, denen die Durchsuchung obliegt, überlassen bleiben. Es ist vielmehr Aufgabe des Richters, von vornherein für eine angemessene Begrenzung der Zwangsmaßnahme Sorge zu tragen (BVerfGE 42, 212 (220)). Hierzu gehört auch, daß die Durchsuchungsanordnung tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält (BVerfG StV 2000, 465).

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluß nicht.

Zwar werden im Beschluß die möglichen Tatopfer und auch die Tatzeit genannt. Im Übrigen fehlen aber Angaben zu einem tatsächlichen Lebenssachverhalt, der die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 170 StGB ausfüllt. Insbesondere fehlen Angaben zur Leistungsfähigkeit des Beschuldigten sowie zur Bedürftigkeit der Geschädigten, obwohl diese Angaben bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses auf Grund der Angaben der Anzeigeerstatter möglichen waren.

Die bloße Nennung der Strafvorschrift reicht im Rahmen des § 102 StPO nicht aus.

Die in dem angefochtenen Beschluß zugleich angeordnete Beschlagnahme "von Gegenständen, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können" geht mangels Konkretisierung ins Leere. Der "Beschlagnahmeanordnung" kommt nur eine Bedeutung dahingehend zu, daß sie den Durchsuchungszweck näher beschreibt und begrenzt und insoweit eine Richtlinie für die Durchsuchung beinhaltet (BVerfG NStZ-RR 2002, 172).

Die damit erstmals mit Beschluß vom 19. November 2003 ausgesprochene Beschlagnahme durch das Amtsgericht ist von dem Beschuldigten nicht angefochten und damit nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

Kosten: § 467 StPO analog.

2. Die Untätigkeitsbeschwerde des Beschuldigten gegen das Unterlassen der Abhilfeentscheidung ist prozessual überholt, weil das Amtsgericht die gebotene Entscheidung zwischenzeitlich getroffen hat. Deshalb ist die ursprünglich zulässige Beschwerde für erledigt zu erklären (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, vor § 296 Rn. 17 am Ende m.w.N.).


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